von Tobias P. Metz
AUFSATZ
Norderstedt/gc. Sie kennen bestimmt auch die Behauptung: Geld versaut den Charakter. Das ist eher nicht der Fall. Was Geld jedoch tut: es legt den Charakter eines Menschen offen. Und zwar schonungslos. Deutlich wird dies bei Aussagen wie:
Wenn ich mal im Lotto den Jackpot abräume, dann kündige ich und sage meinem Chef erst mal, was er für ein ... Ähnliche Aussagen gibt es zu missliebigen Kollegen und sogar zu Lebens- und Ehepartnern. Ohne Geld wird so etwas gar nicht oder nur selten offen gesagt. Das Betriebsklima ist hier die entscheidende Größe und damit ein Werkzeug, dessen Gebrauch sehr heikel ist: die Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastungen. Burn-out, Stress, Überfrachtung, Unterforderung und Monotonie belasten zahlreiche Arbeitnehmer. Doch sie können ihren Zwängen nur selten entfliehen, weil sie sich in einer ökonomischen Abhängigkeit zu ihrem Arbeitgeber befinden. Die innere Kündigung ist eine häufige Folge solcher Arbeitsbedingungen. Nun ist jeder Arbeitgeber in Deutschland persönlich dafür verantwortlich, möglichst sichere und gesunde Arbeitsplätze jederzeit zu gewährleisten.
Dies schuldet er nach dem Arbeitssicherheitsgesetz und nach dem Arbeitsschutzgesetz sowie nach zahlreichen Vorschriften der Berufsgenossenschaften allen seinen Beschäftigten. Und zwar bereits ab dem ersten sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter. Diese Verantwortung des Unternehmers oder des Geschäftsführers greift im Zweifel durch bis in die volle private Haftung des eigenen Vermögens, wenn das Betriebsvermögen für die Schadensregulierung aufgebraucht ist. Diese Verantwortung kann nicht delegiert werden. Ein schlechtes Betriebsklima macht auf Dauer die Mitarbeiter krank. Aus diesem Grund ist eben auch die Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastungen verpflichtend vorgeschrieben. Betriebsräte können starke Partner sein, wenn es um diese besondere Form von Gefährdungsbeurteilungen geht.
Die forcierte Mitbestimmung der Arbeitnehmer ermöglichst erst eine tiefgreifende Schwachstellenanalyse psychischer Gefährdungen im Betrieb und am Arbeitsplatz. Was in aller Regel unausgesprochen bleibt, wird selten entdeckt. Und nicht alle Arbeitnehmer trauen sich von sich aus, den Chef mit psychischen Belastungen zu kommen. Untereinander tauschen sie sich darüber eher aus. Zusätzlich wird das Erkennen psychischer Belastungen erschwert, weil diese oft noch stigmatisiert werden. Da heißt es: sie oder er sei nicht belastbar, nicht stresshart, nicht allein lebensfähig, langsam, faul, ideenlos, kränklich, unbrauchbar, unqualifiziert und vieles mehr. Wer will sich freiwillig solch ein Stigma anheften lassen? Auch Karrierewege werden immer wieder so „organisiert“. Warum sollte ich meinen eigenen Konkurrenten fördern, heißt es da. Oder: Der will doch nur meinen Job. Und hier greift ein weiteres Sprichwort, das ebenso wenig belastbar ist wie das eingangs erwähnte: Macht korrumpiert. Tatsächlich tut sie das aber nicht. Macht wird in verzweigten Hierarchien häufig nur dazu benutzt, Macht zu behalten.
Die Folge ist, dass oft neue Ideen nicht zugelassen werden und ein Protegiersystem eingerichtet wird, das allein dem Machterhalt, jedoch nicht dem Unternehmensfortschritt dient. Auch an den Auswirkungen solcher Machtstrukturen erkranken Mitarbeiter. Indizien für ein schlechtes Arbeits- und Betriebsklima sind häufige Fehlzeiten, zahlreiche Krankschreibungen und hohe Fluktuationen. Mittels einer Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastungen kann man solche Fehlentwicklungen erkennen und dann Maßnahmen zu deren Korrektur daraus ableiten. Noch immer sind es nur wenige Unternehmen in Deutschland, die solche Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastungen konsequent einsetzen. Und das, obwohl der Gesetzgeber seit Ende 2013 solche Gefährdungsbeurteilungen verpflichtend vorschreibt.
Die Kriterien, die für Gefährdungsbeurteilungen für psychische Belastungen zu berücksichtigen sind, sind äußerst umfangreich. Die Beleuchtung des Arbeitsplatzes, der Wege, des Betriebsgeländes, das Raumklima, Wärme, Kälte oder Lärm können ebenso dazu gehören wie normative Leistungsvorgaben oder persönliche Neigungen, Antipathien und Erfahrungen. Tatsache ist, keine ordentlich ausgeführte Arbeit wird ohne Stress und Belastungen geleistet. Die Frage ist nur, ob dieser Stress und eben diese Belastungen dauerhaft sind und positiv oder negativ empfunden werden.
Weitsichtige Arbeitgeber reagieren darauf heilend. Die Berufsgenossenschaften, die Unfallkassen, aber auch Arbeitgeberverbande und Gewerkschaften beraten ausführlich zum Thema Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastungen. Auch ein vorbereitendes Gespräch mit dem Betriebsarzt kann bei der Vorbereitung einer solchen Gefährdungsbeurteilung überaus hilfreich sein. Der seit der Gründung der Bundesrepublik anhaltende Erfolg ihrer Wirtschafts- und kommunalunternehmen sowie ihrer Verwaltungen gründet nicht zuletzt auf möglichst sicheren und gesunden Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten.
Unternehmer, die die psychischen Belastungen ihrer Mitarbeiter nicht billigend in Kauf nehmen, wirtschaften deutlich besser. Sie haben weniger unter Krankenständen zu leiden, die Mitarbeiter sind nicht nur leistungsfähiger, sondern auch leistungswilliger. Die Beschäftigten kommen gerne zur Arbeit und sind motivierter als ihre Kollegen, die einem hohen Leidensdruck ausgesetzt sind. Arbeitsausfälle wegen psychischer Ursachen dauern meistens länger als kleine Unfälle oder grippale Infektionen. Von diesen finanziellen Erwägungen einmal abgesehen greift an dieser Stelle ein weiteres Sprichwort, das jedoch keiner Korrektur bedarf. Es lautet: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.
Die Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastungen ist für Arbeitgeber genauso gesetzlich verpflichtend wie die schriftliche Bestellung eines Betriebsarztes oder einer Fachkraft für Arbeitssicherheit. Sie ist zu dokumentieren und aktuell zu halten. Das kann jederzeit – auch unangekündigt – von der Berufsgenossenschaft kontrolliert werden. Die Nichterfüllung ist für den Erwischten strafbewehrt.
Tobias P. Metz, Vorstandsvorsitzender der AuA24 AG in Norderstedt
Bildunterschrift:
Tobias P. Metz, Vorstandsvorsitzender der AuA24 AG in Norderstedt: Geld versaut nicht den Charakter. Aber es legt ihn offen. Und zwar schonungslos. Foto: AuA24 AG
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