Umstrittenes EU-Gesetz gegen Terrorinhalte
Redaktion: Reporter ohne Grenzen
PRESSEMITTEILUNG
Berlin/gc. Die umstrittene EU-Verordnung zur „Verhinderung der Verbreitung terroristischer Inhalte im Internet“, kurz TERREG, ist am Donnerstag, 29. April 2021, mit der Verkündung durch den Präsidenten des Europäischen Parlaments verabschiedet worden.
Noch Ende März 2021 hatten Reporter ohne Grenzen (RSF) und mehr als 60 weitere Journalismus- und Menschenrechtsorganisationen ihre Besorgnis über die Auswirkungen der Verordnung auf die Presse- und Meinungsfreiheit in einem offenen Brief an die Mitglieder des Europäischen Parlaments zum Ausdruck gebracht und zur Überarbeitung des Entwurfs aufgerufen. Im Fokus der Kritik stand die mangelnde richterliche Kontrolle staatlicher Anordnungen zur Löschung von „terroristischen“ Beiträgen in den sozialen Netzwerken.
„Angesichts des außerordentlich breiten Protests der Zivilgesellschaft hätte TERREG nicht ohne weitere Diskussion und ganz sicher nicht ohne finale Parlamentsabstimmung beschlossen werden dürfen“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die Verordnung setzt Medienschaffende einem nicht gerechtfertigten Risiko politischer Zensur aus. Rechtsstaatliche Mindeststandards auszuhebeln, um schneller gegen illegale Inhalte im Netz vorgehen zu können, ist der falsche Weg.“
Innerhalb einer Stunde sollen große Online-Plattformen künftig prüfen, ob sie der länderübergreifenden Löschaufforderung eines EU-Mitgliedstaats stattgeben. Eine richterliche Verfügung muss dafür nicht vorliegen. Es obliegt damit allein staatlichen Stellen einzuordnen, was beispielsweise als journalistischer Inhalt oder als Satire anzusehen ist – oder als terroristischer Inhalt gelöscht werden muss. Vor dem Hintergrund zunehmender illiberaler Tendenzen innerhalb der EU sieht Reporter ohne Grenzen ein erhöhtes Risiko politischer Eingriffe in die Presse- und Meinungsfreiheit. Zudem liefert die Verordnung eine gefährliche Argumentationsvorlage für autoritäre Regierungen weltweit, ihre Kontrollansprüche gegenüber Plattformen wie Facebook und Twitter entgegen internationaler Menschenrechtsnormen durchzusetzen. Erst am Montag berichtete die Washington Post über von der indischen Zentralregierung angeordnete Sperrungen regierungskritischer Beiträge auf Twitter.
Enttäuscht zeigt sich das zivilgesellschaftliche Bündnis zudem über den Verzicht auf eine finale Plenarabstimmung. Aufgrund eines prozeduralen Versäumnisses der Gegnerinnen und Gegner der Verordnung im EU-Parlament, eine Abstimmung explizit einzufordern, wie es in diesem Fall nötig gewesen wäre, konnte das Gesetz nun allein mit der Zustimmung des federführenden Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) verabschiedet werden.
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