Suchen

Samstag, 18. Juni 2022

Die „Judensau“ darf bleiben

... von Heiko Wruck
KOMMENTAR
Sehr zum Ärger vieler Juden und sehr zur Freude von angeblichen und tatsächlichen „Geschichtsbewahrern“ darf die „Judensau“ nun bleiben. Nicht nur in Wittenberg an der einstigen Wirkungsstätte des Judenhassers Martin Luther. Sondern auch an zahlreichen anderen christlichen Kirchen in Deutschland.

Da kann man doch froh sein, dass die Kirchen sich nicht schon im Mittelalter die Swastika angeeignet haben. Sonst trügen die christlichen Bauwerke heute Hakenkreuze als Wandschmuck und Botschaft.

Die Empörung der Juden über die jahrhundertealte Diffamierung und deren „Quasi-Heiligsprechung“ durch den Bundesgerichtshof in Karlsruhe besteht zu Recht. Denn es handelt sich nicht einfach um ein Schmäh-Relief in einem nicht öffentlichen Raum. Es handelt sich um ein Statement an einem sakralen Bauwerk. Erklärtafeln hin oder her. Ebenso gut könnte jeder Bürger auch frei entscheiden, eine Hakenkreuzbinde zu tragen, wenn sie nur mit der Erklärzeile versehen ist, dass man ja kein Nazi sei.

Die „Judensäue“ gehören aus den christlichen Kirchen entfernt und in die Museen gestellt. Dort können sie genauso gut erklärt und eingeordnet werden. Aber so weit geht die deutsche Empfindsamkeit nicht. Da ist das mittelalterliche Handwerk mit diffamierendem Inhalt deutlich wichtiger als das Empfinden der Holocaustopfer und ihrer Nachfahren oder – wie in diesem konkreten Fall – ihrer Konvertiten.

Der buchstäblich in Stein gemeißelte Antisemitismus zeigt, wie judenfreundlich Deutschland heute tatsächlich ist. Deutschland kann sich trotz aller Verbrechen, die von Deutschen den Juden angetan wurden nicht dazu durchringen, mit alten Traditionen der Diffamierung der Juden klar und konsequent zu brechen. Vor dem Hintergrund von Angriffen auf Juden und jüdische Einrichtungen im wiedervereinten Deutschland eine sehr bemerkenswerte und widerwärtige Entscheidung.

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
_____________________________________________