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Montag, 13. Juni 2022

Künstliche Intelligenz nachhaltig machen

NRW fördert Forschungsnetzwerk SAIL
Redaktion: Universität Bielefeld 
PRESSEMITTEILUNG
Bielefeld/gc. Wenn ein smartes Assistenzsystem oder andere Hard- und Software mit Künstlicher Intelligenz (KI) auf dem Markt eingeführt werden, laufen zwar die Hauptfunktionen des Systems – nicht zwangsläufig gesichert ist hingegen, dass das System langfristig störungsfrei arbeitet.

Das neue Forschungsnetzwerk SAIL soll daher die Grundlagen für eine nachhaltige Gestaltung von KI-Komponenten entwickeln. Das Ziel: KI-Systeme sollen über ihren gesamten Produktlebenszyklus transparent, sicher und robust arbeiten. Gleichzeitig sollen sie dazu beitragen, menschliche Selbstbestimmung zu erhalten.

In dem interdisziplinären Netzwerk kooperieren die Universität Bielefeld, die Universität Paderborn, die Fachhochschule Bielefeld und die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Die Universität Bielefeld koordiniert den im August startenden Verbund, zu dem rund 90 Wissenschaftler*innen gehören. Das Land Nordrhein-Westfalen fördert das Projekt mit bis zu 14,8 Millionen Euro.

Intelligente soziotechnische Systeme (ITS) in der Arbeitswelt sind über ihren Lebenszyklus unterschiedlichsten Bedingungen ausgesetzt. „Im Lauf des Betriebs der Systeme kommen immer wieder neue Situationen auf, an denen die KI, die das System steuert, scheitert“, sagt die künftige Koordinatorin des Netzwerks, Professorin Dr. Barbara Hammer von der Technischen Fakultät der Universität Bielefeld. Stellvertretender Koordinator wird Prof. Dr. Axel-Cyrille Ngonga Ngomo vom Institut für Informatik der Universität Paderborn.

„Unser Ziel ist, KI-Systeme nachhaltig nutzbar zu machen, indem schon bei der Einführung der Systeme die im Lebenszyklus benötigte Flexibilität angelegt wird“, sagt Axel-Cyrille Ngonga Ngomo. Barbara Hammer erläutert: „Hierzu müssen von Anfang an auch die Grenzen von KI-Systemen beachtet werden und neben technischen Charakteristika der Systeme deren Auswirkungen auf die Gesellschaft berücksichtigt werden.“

Innovative KI-Systeme für Industrie und Gesundheitswesen
Die Forschenden im SAIL-Netzwerk befassen sich mit intelligenten soziotechnischen Systemen in komplexen Umgebungen. Der Verbund konzentriert sich auf zwei hoch relevante Anwendungsfelder: Arbeitsplätze in der Industrie und Assistenzsysteme im Gesundheitswesen.

Um nachhaltige KI für intelligente soziotechnische Systeme zu realisieren, setzt das Netzwerk auf fachübergreifende Zusammenarbeit. Informatiker*innen arbeiten an den Hauptfähigkeiten der KI (Kern-KI). Sie entwickeln dabei unter anderem KI-Systeme, die – anders als aktuell populäre und oft datenhungrige Methoden – auch mit wenigen Daten effizient lernen können. Außerdem richten sie die KI-Systeme so aus, dass sich Vorwissen integrieren lässt, das auf die jeweiligen Einsatzgebiete (Domänen) ausgerichtet ist. So soll robustes Verhalten der KI-Systeme gewährleitest werden. Ingenieurwissenschaftler*innen im SAIL-Netzwerk befassen sich zum Beispiel mit der Frage, wie physikalische Gesetzmäßigkeiten in KI-Systemen integriert werden können oder wie domänenspezifische Datenverarbeitung dazu beitragen kann, KI-Verfahren besonders effizient umzusetzen. Forschende aus den Geistes- und Sozialwissenschaften untersuchen, wie KI-Komponenten zu gestalten sind, dass sie mit der Kognition von Menschen kompatibel sind. Auch befassen sie sich damit, wie mögliche Auswirkungen und Risiken des Einsatzes von KI-Komponenten in der Gesellschaft adressiert werden können.

Netzwerk liefert Gegenentwurf zu aktuell üblichen KI-Systemen
„Ich gratuliere allen Wissenschaftler*innen, die am Antrag zu SAIL beteiligt waren, zu der Förderzusage – das ist ein großartiger Erfolg“, sagt Professorin Dr. Angelika Epple, Prorektorin für Forschung und Internationales der Universität Bielefeld. „Die heute verbreiteten KI-Systeme kommen von global agierenden Technologie-Konzernen, sammeln massenhaft Daten und werden durch energieintensive Rechenzentren unterstützt. Das SAIL-Netzwerk liefert einen bedeutsamen Gegenentwurf dazu: eine verantwortungsvolle und gemeinwohlorientierte Künstliche Intelligenz. Die Universität Bielefeld trägt insbesondere mit ihrer über Jahre aufgebauten Forschungskompetenz zu Kognitiver Interaktionstechnologie zum neuen Netzwerk bei.“ Dazu gehört, dass die Medizinische Fakultät OWL mit ihrer Forschung zu medizinischen Assistenzsystemen am Netzwerk beteiligt ist.

Die Universität Paderborn bringt ihre Expertise zu menschzentrierten intelligenten technischen Systemen ins SAIL-Netzwerk ein. „Nur wenn Menschen im Zentrum einer modernen Technologiewelt stehen, können nachhaltige Lösungen entwickelt werden“, sagt Professor Dr. Johannes Blömer, Vizepräsident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Paderborn. „Die Verbindung von technologischen und sozialen Aspekten wird schon seit einigen Jahren von Paderborner Wissenschaftler*innen in interdisziplinär angelegten Projekten erforscht und umgesetzt. Das SAIL-Netzwerk schließt an dieses zukunftsweisende, gesellschaftsrelevante Forschungsfeld an.“

„Das neue Netzwerk ist ein hervorragender Erfolg für Campus OWL, den Verbund der staatlichen Hochschulen in Ostwestfalen“, sagt Professor Dr. Anant Patel, Vizepräsident für Forschung und Entwicklung der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Das SAIL-Netzwerk knüpft an die jahrelange Erfahrung der FH Bielefeld an, die sie in der Forschung zu Assistenzsystemen in der medizinischen Begleitung aufgebaut hat. „Die Kompetenz der FH Bielefeld auf dem Gebiet KI ist interdisziplinär und in großen Teilen anwendungsorientiert aufgestellt“, so Patel. „Damit ist sie hervorragend geeignet, den gesamten Lebenszyklus der KI zu betrachten. Das SAIL-Netzwerk stärkt überdies auch die exzellente Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und ermöglicht eine noch engere Zusammenarbeit der vier Partnerhochschulen über kooperative, fächerübergreifende Promotionen.“

Die Technische Hochschule Ostwestfalen (TH OWL) ist unter anderem auf intelligente industrielle Automation spezialisiert. „Nachhaltige Künstliche Intelligenz bietet ein riesiges Potenzial für Produktionsabläufe in der Industrie“, sagt Professor Dr. Stefan Witte, Vizepräsident für Forschung und Transfer der TH OWL. „Weil nachhaltige KI sich flexibel auf neue Gegebenheiten einstellt, ist sie ideal für eine Produktion im Sinn von Industrie 4.0. Das vereinfacht zum Beispiel die Herstellung individualisierter Produkte. Hinzu kommt, dass die KI-Systeme, wie wir sie im SAIL-Netzwerk entwickeln, betriebswirtschaftlich weniger Kosten verursachen: Sie sind auf langfristige Nutzung angelegt und verbrauchen weniger Energie als aktuelle Systeme.“

Förderung durch das Land Nordrhein-Westfalen
SAIL steht für „SustAInable Life-cycle of Intelligent Socio-Technical Systems“ (Nachhaltiger Lebenszyklus intelligenter soziotechnischer Systeme). Die nordrhein-westfälische Landesregierung unterstützt den Verbund über ein Programm im Bereich „Vernetzung“. Das Programm soll bereits bestehende themenbezogene und standortübergreifende Forschungsnetzwerke von Universitäten, Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und außeruniversitären Forschungseinrichtungen nachhaltig stärken, ausbauen und ihre Sichtbarkeit und internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Die Förderung der Forschungsnetzwerke ist ab August 2022 auf vier Jahre ausgelegt. Für die Förderung im Bereich „Vernetzung“ wurden 19 Antragsskizzen eingereicht, die anschließend einem intensiven wissenschaftlichen Fachbegutachtungsverfahren unterzogen wurden.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat die Förderung eines weiteren Forschungsnetzwerks bekanntgegeben, an dem die Universität Bielefeld beteiligt ist. „NRW-FAIR“ ist ein Netzwerk zur Teilchenphysik. Koordiniert wird es von der Ruhr-Universität Bochum.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof’in Dr. Barbara Hammer, Universität Bielefeld
Technische Fakultät
Telefon: 0521 106-12115
E-Mail: bhammer@techfak.uni-bielefeld.de

Weitere Informationen:
https://www.mkw.nrw/81melf „81 Millionen Euro Landesförderung für fünf exzellente Forschungsnetzwerke in Nordrhein-Westfalen“ (Pressemitteilung des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Kultur und Wissenschaft vom 31.03.2022)
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