Klare Sprache, sichere Datenspenden
Redaktion: Eberhard Karls Universität Tübingen
PRESSEMITTEILUNG
Tübingen/gc. Der Bürgerrat „KI und Freiheit“ hat am Montag neun Empfehlungen ausgesprochen wie Bürgerinnen und Bürger besser bei der öffentlich geförderten Erforschung und Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) beteiligt werden können. Der Rat übergab seine Empfehlungen im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Stuttgart an Ministerin Petra Olschowski.
Unter anderem empfiehlt der Rat die Schaffung von sicherer Infrastruktur für leichtere Datenspenden, eine Sammelstelle für Vorschläge zur KI-Forschung und eine bessere Vernetzung von Ärztinnen, Patienten und Forschenden mithilfe von künstlicher Intelligenz. Bei Fragen der Verkehrspolitik in Verbindung mit Anwendungen künstlicher Intelligenz empfehlen die Bürgerinnen und Bürger die Einrichtung eines ständigen Bürgerrats. Er könne dabei helfen, die Sicherheit von Radwegen zu erhöhen und CO₂-Emissionen im Straßenverkehr zu senken.
„Künstliche Intelligenz verändert unsere Lebenswelt. Deshalb ist es wichtig, Bürgerinnen und Bürger in diesem Transformationsprozess mitzunehmen und zu beteiligen. Der Bürgerrat ,KI und Freiheit‘ der Universität Tübingen leistet hierbei Pionierarbeit. Die zufällig ausgelosten Mitglieder aus dem Land kommen mit Forschenden ins Gespräch und haben die Chance, ihre individuelle Perspektive einzubringen. Ich danke den Bürgerinnen und Bürgern für ihr Engagement: Ihre Empfehlungen geben nicht nur wichtige Impulse für die KI-Forschung und -Entwicklung, sie fördern auch die gesellschaftliche Diskussion.“
„Forschungsergebnisse und technologische Entwicklungen beeinflussen das Leben aller Bürgerinnen und Bürger. Deshalb sollten deren Interessen, Bedürfnisse und Perspektiven frühzeitig berücksichtig werden“, sagte Professorin Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, Rektorin der Universität Tübingen. Ein Rat von Bürgerinnen und Bürgern sei dafür ein effektives Mittel, um im Austausch gemeinsam an den besten Lösungen zu arbeiten und auch Vorschläge zur Umsetzung zu erarbeiten.
Der Bürgerrat wird seine Empfehlungen auch an das Exzellenzcluster „Maschinelles Lernen für die Wissenschaft“ der Universität Tübingen und an das Public Advisory Board des Cyber Valley übergeben. Im Cyber Valley koordinieren sich Forschungseinrichtungen, Unternehmen und öffentliche Stellen, die in Stuttgart, Tübingen und Karlsruhe in der KI-Forschung tätig sind. Es ist der größte Verbund dieser Art in Europa.
Die Empfehlungen im Einzelnen:
● Transparentere Vermittlung von
KI-Forschung in klarer Sprache
und geeigneten Formaten (Web-
seiten, KI-Messen, Diskussions-
runden, Tage der offenen Tür, etc.)
● Aufbau von Infrastruktur für sichere
Datenspenden von Bürgern und
Patienten; Überprüfung des ethischen
Umgangs mit den Datenspenden
durch gewählte Kontrollorgane
● Einrichtung einer Sammelstelle
für Vorschläge zur KI-Forschung
durch Bürger (Quorum für Vorschläge,
Prüfung durch Experten) sowie öffent-
liche Mittel zur Umsetzung dieser
Vorschläge
● Hoher Stellenwert für Forschung
zu „KI in den Medien“ und deren
gesellschaftlichen Folgen; hoher
Stellenwert für KI-Forschung im
Gesundheitsbereich und gesell-
schaftlicher Prioritäten bei der
Auswahl der Forschungsthemen
● Maßnahmen (wie Werbespots,
Arztgespräche, Events), die
Bürger das Potential von
Spenden ihrer anonymisierten
Gesundheitsdaten an die
KI-Forschung nahebringen und
sie befähigen, selbstverantwortliche
Entscheidungen zu treffen
● Bessere Vernetzung zwischen
KI-Forschenden, Patienten und
Hausärzten
● Erleichterung von Datenspenden
zur Erforschung von Problemen im
Verkehr und ÖPNV
● Einberufung dauerhafter Bürger-Räte
zur Beratung der KI-Forschung bei
Verkehrsthemen wie beispielsweise
autonomem Fahren, mehr Sicherheit
auf Radwegen, der Reduktion von CO₂
und Feinstaub oder mehr Transport-
kapazitäten im ÖPNV
Transparente Kommunikation von Unsicherheiten bei KI-Anwendungen speziell im Verkehrs- und Gesundheitssektor, um kein falsches Sicherheitsgefühl zu vermitteln
Das Zentrum für rhetorische Wissenschaftskommunikationsforschung zur Künstlichen Intelligenz (RHET AI Center) der Universität Tübingen unter der Leitung von Prof. Dr. Kramer hatte den Bürgerrat im Januar 2024 initiiert. Der Verein Mehr Demokratie e.V. und eine interdisziplinär besetzte wissenschaftliche Begleitgruppe berieten den Prozess. Finanziert wurde das Projekt aus Mitteln der Exzellenzstrategie der Universität Tübingen und der Volkswagen-Stiftung. Den Bürgerinnen und Bürgern wurden die Fahrtkosten erstattet und sie erhielten eine Aufwandspauschale pro Sitzung.
Der Bürgerrat bestand aus vierzig Bürgerinnen und Bürger, die nach einem Zufallsverfahren aus vier Kommunen unterschiedlicher Größe berufen wurden: Reutlingen repräsentierte im Sample eine Großstadt, Waiblingen eine Mittelstadt, Hemsbach eine Kleinstadt und Kleines Wiesental ein Dorf. Die Kommunen gehören jeweils zu einem Regierungsbezirk in Baden-Württemberg und liegen so-wohl in urbanen als auch ländlichen Räumen. Das Verfahren stellte sicher, dass Bürgerinnen und Bürger aus unterschiedlichen Altersgruppen, mit und ohne Migrationshintergrund sowie mit unterschiedlichem Bildungsgrad von der Hauptschule bis zum abgeschlossenen Studium vertreten waren.
In vier Sitzungen berieten sich die Bürgerinnen und Bürger. Sie sprachen auch mit Ethikern, KI-Expertinnen und -Anwendern. Die erste Sitzung fand Ende September 2024 statt, die letzte im Dezember. Zu den Themen Medizin, Verkehr und Medien bildeten die Bürgerinnen und Bürger eigene Arbeitsgruppen, die spezielle Empfehlungen erstellten und wiederum im Plenum diskutierten und abstimmten. Anschließend schrieb ein Redaktions-Team aus dem Bürgerrat die finale Fassung der Empfehlungen.
„Das große Engagement der Bürgerinnen und Bürger während der Diskussionen im Bürgerrat zeigt, wie sehr das Thema Künstliche Intelligenz die Menschen umtreibt. In Anbetracht der gesellschaftlichen Veränderungen, die durch Künstliche Intelligenz ausgelöst werden, ist ein transparenter und dialogorientierter Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft unerlässlich“, so Olaf Kramer, der Sprecher des RHET AI Centers.
Die Umsetzung der Ideen steht dem Ministerium, dem Exzellenz-Cluster Maschinelles Lernen in der Wissenschaft“ und dem Cyber Valley sowie weiteren Akteuren, die angesprochen werden, frei. Ergebnisse des Bürgerrats sind auf der Webseite des Projekts www.bürgerrat-ki.de dokumentiert und werden weiter fortgeschrieben.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Patrick Klügel
Universität Tübingen
Public Engagement Manager
Universität Tübingen – Dezernat Forschung
Exzellenzstrategie/RHET AI
Telefon +49 7071 29-75570
patrick.kluegel@uni-tuebingen.de
Weitere Informationen:
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