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Mittwoch, 6. Februar 2013

Vor allem ängstlicher

Ein deutscher Pfarrer in Lissabon
von Kai Lewendoski
INTERVIEW
Lissabon/gc. Das PortugalForum sprach mit Stefan Stalling, Pfarrer an der Deutschen Evangelischen Kirchengemeinde in Lissabon, unter anderem die Auswirkungen der Wirtschaftskrise im Land. Der German Circle veröffentlicht an dieser Stelle einen Auszug aus diesem Interview. Das vollständige Interview lesen Sie hier!


Sie sind jetzt seit 2009 mit Ihrer Frau in Lissabon Pfarrer an der Deutschen Evangelischen Kirchengemeinde (DEKL). Fühlen Sie sich in Lissabon zu Hause?
Stalling: Ja natürlich. Es hat zwar etwa ein halbes Jahr gedauert - aber dann waren Kirche sowie unser Pfarrhaus unser Zuhause. Wenn wir in Deutschland sind, dauert es nicht lange, dann fehlen mir schon Licht und Sonne, die Menschen - und natürlich meine eigenen vier Wände.

Wie und warum ist der Entschluss bei Ihnen gefallen, nach Portugal zu gehen?
Stalling: Meine Frau und ich waren während des Studiums für ein Jahr in Brasilien. Dort haben wir ein wenig (brasilianisches) Portugiesisch gelernt und zudem haben wir mehrere evangelische Pfarrhäuser kennengelernt. Als die Pfarrstelle in Lissabon ausgeschrieben war, sagten wir uns: „Versuchen können wir es. Wir werden eh nicht genommen.“ Es kam zum Glück anders

Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Entwicklung Portugals ein?
Stalling: Ich hoffe, wie alle anderen auch, dass dieses Land ein Bein an die Erde bekommt. Ich bin davon auch überzeugt. Aber es wird noch eine lange Zeit dauern.

Sehen Sie die Folgen der Wirtschaftskrise auch in Ihrer unmittelbaren Umgebung?
Stalling: Ich fühle mit den Menschen, die in unserem Umfeld ihre Arbeit verlieren. Das ist schrecklich und das macht ohnmächtig. Es klopfen mehr Menschen an unsere Tür mit der Bitte um eine ajuda oder etwas zu essen.

Haben Sie das Gefühl, dass die Stimmung ängstlicher geworden ist oder wütender?
Stalling: Ja. Vor allem ängstlicher. Die Menschen sind verunsichert, weil sie nicht einschätzen können, wie sich ihr Land und ihr Kontinent entwickeln.

Spüren Sie wegen der ja in Südeuropa viel kritisierten Politik von Angela Merkel auch Ressentiments gegenüber Ihnen oder den Deutschen allgemein?
Stalling: Ich weiß von Gemeindekirchenräten, die von solchen Ressentiments zu erzählen wissen. Ich persönlich habe davon noch nichts gespürt.

Sie helfen im Bairro Serafina. Bitte beschreiben Sie kurz, was die Gemeinde dort macht.
Stalling: Unsere Gemeinde ist zu klein, als dass sie selbst viel machen könnte. Was wir machen ist: wie nutzen unsere guten Kontakte zu einer katholischen Nachbargemeinde in einem sozial schwächeren Viertel der Stadt. Ihr Pfarrer kennt die Probleme der Menschen seit Jahrzehnten. Es fehlt das Geld für dringend benötigte Medikamente, für Brillen, für Windeln, für ärztliche Behandlungen. Für das Jahr 2013 ist eine Verschärfung der Situation zu erwarten. Wir sammeln Geld, das wir an Padre Crespo weiterleiten. Wir vertrauen ihm. Und wir berichten über die Verwendung der Gelder im Gemeindebrief und auf der Homepage.

Was ist ihr größter Wunsch für die Zukunft?
Stalling: Gesund mit meiner Familie alt zu werden, ohne meine Glauben zu verlieren.

Bildunterschrift:
Das Pfarrerehepar Anke und Stefan Stalling betreut seit 2009 die Deutsche Evangelische Kirchengemeinde in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon. Foto: Kai Lewendoski

Weitere Informationen zur Gemeinde in Lissabon:
Avenida Columbano Bordalo
Pinheiro, 48
1070-064 Lisboa
Portugal
Tel (00351) 217 260 976
Fax (00351) 217 274 839
info(at)DEKL.org

Kontakt:
Kai Lewendoski
kailew(at)westalgarve.de
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