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Dienstag, 12. März 2013

Die eigene Verzichtbarkeit

Journalismus lebt jenseits der Quote
von Heiko Wruck
AUFSATZ
Die Wichtigtuer und Hochstapler wussten es schon immer: Nur wer für unverzichtbar gehalten wird, fährt reiche Ernte ein. Das gilt natürlich – oder sogar ganz besonders – auch im Journalismus. Deswegen tönen die Schwätzer und strahlen die Blender um die Wette – jeden Tag auf’s Neue.


Die privaten deutschen Zeitschriften- und Zeitungsverlage, die privaten Radio- und Fernsehsender, unendlich viele Bewertungs-, Journalisten-, Künstler-, PR- und Laien-Portale kanalisieren ihre publizistische Kraft, um die Notwendigkeit des Leistungsschutzrechts zu argumentieren. Gleichzeitig ziehen sie mit schwerster Propaganda gegen die öffentlich-rechtliche Rundfunkgebühr zu Felde. Sie alle haben Follower!

Doch allen Aufwandes zum Trotz, sie bleiben als Einzelne nicht wahrnehmbar und damit auch verzichtbar – mit allen Likes, Teilungen und Kommentaren.

Ähnlich ergeht es auch den vielen Schreibern, Filmern und Fotografen. Zu Tausenden tummeln sie sich im Netz und bleiben doch nur graue Masse. Weitgehend unbeachtet.

Wirklich journalistisch sind die wenigsten getrieben. Das wundert nicht. Wer, ohne zu klauen, selbst schreibt, bloggt, filmt, fotografiert, sammelt, sucht, archiviert und nicht zuletzt recherchiert – um qualifiziert zu veröffentlichen – bleibt nur einer jener grauen Arbeiter, die die Mühen der Ebene nicht scheuen und sich darin verlieren. Im Gegensatz zu den Wichtigtuern, die zu jedem und allem eine Meinung haben. Auch im Gegensatz zu den Hochstaplern, denen nicht der Fakt, sondern das Aufgebauschte Lebenselexier ist.

Chronistenpflicht? Fehlanzeige! Versachlichung? Unerwünscht! Verlegerisches Interesse? Unprofitabel! Neidvoll schauen die Wichtigtuer und Hochstapler auf werbeträchtige Klickraten und einträgliche Follower-Tafeln. Das schielende Opossum aus dem Leipziger Zoo bringt es bis jetzt bei YouTube auf sagenhafte 790.243 Views. Die Beutelratte hat sogar einen eigenen Song. Knut, der kleine Eisbär kam mit seinem Kindheitsvideo bis heute auf beeindruckende 255.743 Videoaufrufe. Schon zu Lebzeiten waren sie Legenden. Trotzdem bleiben Heidi und Knut belanglos und die Propagandisten verzichtbar. Was weiß man sonst über die Zoos von Heidi und Knut und von dem vor der eigenen Haustür? Und will man das wissen?

Ähnlich geht es auch den vielen Verlagen, Bloggern, Sendern. Sie hängen sich an Quoten, Klicks und Rankings, schaffen aber wenig Substanzielles. Entsprechend sehen ihre Inhalte aus. Sie werden zunehmend bestimmt von Nachrichten, die Politiker, Unternehmen, Parteien, Verbände und Vereine in Eigenregie fabrizieren. Entsprechend unkritisch und distanzlos arbeiten ihre willigen Produzenten. Im Gegensatz zu den engagierten Journalisten eint sie jedoch ein Aspekt ihres Tuns. Sie haben ein echtes verlegerisches Interesse. Nur wer gedruckt oder gesendet wird bekommt  Aufmerksamkeit. Damit werden Produzenten und Veröffentlicher unverzichtbar für alle die, denen sie eine Bühne geben – gegen Bezahlung, versteht sich.

Vor diesem Hintergrund sollten sich Journalisten und Rezipienten zwei Fragen stellen: Ist das Angebot unverzichtbar? Und: Gibt es ein echtes verlegerisches Interesse?

Wenn beide Fragen klar mit einem Ja beantwortet werden, sollten die einen von ihrer Arbeit leben können, weil die anderen sie dafür ergebnisunabhängig bezahlen wollen. Unabhängiger Journalismus braucht bedingungsloses Geld – das nennt man Rundfunkgebühren.

Kontakt:
heiko@wruck.org
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