Kommunikation zwischen „Islam“ und „Westen“
Redaktion: Friedrich-Schiller-Universität Jena
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PRESSEMITTEILUNG
Jena/gc. Muslime sind gefährlich und wollen sich nicht in die deutsche Gesellschaft integrieren. Deutsche sind arrogant und oberflächlich und ihrerseits eine Bedrohung für die Muslime.
Zu diesem Schluss könnte man kommen, wenn man der täglichen Berichterstattung in den Fernsehnachrichten glaubt. Und das tun vor allem junge Menschen in Deutschland, wie Prof. Dr. Wolfgang Frindte von der Friedrich-Schiller-Universität Jena in einer neuen Publikation festhält.
Für das gerade erschienene Buch „Der Islam und der Westen. Sozialpsychologische Aspekte einer Inszenierung“ hat der Kommunikationspsychologe umfangreiches Datenmaterial aus zwei eigenen vorangegangenen Studien neu ausgewertet und eingeordnet.
„Das Bild, das sich Muslime und Nicht-Muslime voneinander machen, ist geprägt von den Nachrichten ihres bevorzugten Fernsehsenders“, erläutert er. In der Altersgruppe von 14 bis 32 Jahren sind das vor allem private Sender: deutsche wie türkische und arabische. Die vorwiegend einseitige und zu Dramatisierung neigende Berichterstattung der privaten Programme hinterlasse deutliche Spuren. „Gleichwohl wäre es zu einfach, diesen Medien die Verantwortung für das Bild in den Köpfen der Zuschauer zuzuweisen“, betont der Jenaer Kommunikationsexperte. Denn: Die Zuschauer suchen sich selbst die Nachrichten aus, die sie erwarten.
Und erwartet werde in der Regel Trennendes und Unvereinbares zwischen „Islam“ und „Westen“. „Wie unsere Studien zeigen, wird der ,Westen‘ etwa in türkischen Privatsendern vornehmlich als Bedrohung dargestellt“, so Frindte. Fast spiegelbildlich tauche in den Ereignisberichten der deutschen Sender der „Islam“ als Bedrohung auf.
Dass sich Muslime und Nicht-Muslime voneinander abgrenzen, sich gar als gegenseitige Bedrohung empfinden und in einem scheinbaren „Kampf der Kulturen“ um die Vormacht ringen, habe allerdings wenig mit der Realität in Deutschland zu tun. „Was hier zusammenprallt, sind nicht unterschiedliche Kulturen“, betont Psychologe Frindte. „Es sind lediglich unterschiedliche Vorstellungen voneinander, die von hartnäckigen Vorurteilen geprägt sind.“ Und die werden durch mediale Inszenierungen immer wieder bedient.
Die Inszenierung anti-westlicher oder anti-islamischer „Rollenspiele“ und ihre Folgen sind für Frindte schon lange ein Forschungsthema. Anlass für die aktuelle Neubewertung seiner Forschungsbefunde waren die heftigen Reaktionen, die die Veröffentlichung der Jenaer Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“ zu Jahresbeginn bundesweit ausgelöst hatte. Darin hatten Frindte und sein Team im Auftrag des Bundesinnenministeriums die Integrationsbereitschaft junger Muslime in Deutschland untersucht und u. a. nach Ausmaß und Ursachen radikaler Einstellungen und Verhaltensweisen gefragt.
Noch bevor die Wissenschaftler bzw. das Ministerium die Studienergebnisse veröffentlichen konnten, machte eine große Boulevardzeitung mit den Ergebnissen Schlagzeilen und stellte sehr einseitig die mangelnde Integrationsbereitschaft eines Teils der muslimischen Bevölkerung in Deutschland in den Mittelpunkt.
„In diesem Fall wurden wir und unsere wissenschaftlichen Forschungsergebnisse selbst Teil einer großen Inszenierung“, analysiert Frindte.
Statt die Vielschichtigkeit muslimischer Lebenswelten und ihre Beziehungen zu den nicht-muslimischen Mitbürgern zu vermitteln, wie sie die Studie belegt, hätten anfangs lediglich die Teilergebnisse im Fokus der Berichterstattung gestanden, die bestehende Ressentiments bedienten. Dies habe sowohl die Vorurteile der Nicht-Muslime gegenüber der muslimischen Bevölkerung, als auch bei den Muslimen das Gefühl verstärkt, nicht erwünscht zu sein, ist Frindte überzeugt.
Wobei, so betont der Autor, sich nicht nur die Medien des Mittels der Inszenierung bedienten. „Auch die Politik greift darauf regelmäßig zurück.“
So seien die Studienergebnisse aus dem Innenministerium selbst vorab an die Zeitungsredaktion lanciert worden und der Zeitpunkt der Veröffentlichung lasse zumindest vermuten, mit Bedacht gewählt worden zu sein.
In seinem nun vorgelegten Buch macht der Jenaer Psychologe nicht nur die wichtigsten Ergebnisse der Lebenswelten-Studie öffentlich. Er zeichnet auch ihren Nachhall in Medien und Politik nach und weist sogar einen Ausweg aus der „Inszenierungsfalle“.
Bibliografische Angaben:
Wolfgang Frindte: „Der Islam und der Westen. Sozialpsychologische Aspekte einer Inszenierung“, Springer VS, Wiesbaden 2013, 312 Seiten, 49,90 Euro, ISBN 978-3658031503
Bildunterschrift:
Prof. Dr. Wolfgang FrindteFrindte: Das Bild, das sich Muslime und Nicht-Muslime voneinander machen, ist geprägt von den Nachrichten ihres bevorzugten Fernsehsenders. Foto: Anne Günther/FSU
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Prof. Dr. Wolfgang Frindte
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