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Freitag, 23. Dezember 2016

Frühstück immer gemeinsam ...

bei Frauenarzt & Palliativmediziner Dr. Stephan Henschen
von Heiko Wruck
GESPRÄCH
Schwerin/gc. Herr Doktor, gibt’s Pillen zum Frühstück?
Es ist dann meistens 6.15 Uhr, da nehme ich lieber Brötchen, Marmelade und Kaffee. Ein gemeinsames Frühstück in der Familie ist mir wichtig, damit alle gut in den Tag starten. Da wird immer noch was besprochen, was am Tag so anliegt. Auch das gemeinsame Abendbrot ist mir wichtig. Da wird dann auf den Tag zurückgeblickt.


Mein Körper gehört mir, ist das Bewusstsein dafür heute anders als früher?
Das Verhältnis Arzt - Patient hat sich grundlegend gewandelt. Vor 20 Jahren hat der Arzt was gesagt, und der Patient hat’s gemacht. Heute fragen Ärzte mehr, weil die Patienten mehr Antworten wollen. Lebensqualität ist hier in Bezug auf den eigenen Körper das richtige Stichwort. Die Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen, Chemotherapie, selbstbestimmtes Sterben sind heute keine Tabuthemen mehr.

Die Selbstbestimmung kommt per Patientenverfügung?
Es ist richtig und wichtig, eine Patientenverfügung zu haben, damit der Arzt keine unnötigen und nicht gewollten Maßnahmen einleitet. Eine Patientenverfügung ist immer sehr sinnvoll, auf jeden Fall aber am Ende des Lebens. Solche Patientenverfügungen werden in der Regel beim Notar, Hausarzt, Facharzt oder bei den Hospizdiensten gemacht. Man kann dafür natürliche auch eine notarielle Beglaubigung in Anspruch nehmen, aber die kostet dann natürlich auch Geld.

Schwangerschaftsabbruch und Selbstbestimmung, geht das zusammen?
Zunächst einmal hat die Frau allein zu entscheiden, ob sie einem Abbruch zustimmt oder nicht. Sie ist immer der aktive Teil – während der Schwangerschaft und auch nach der Geburt. Aber jede Frau ist auch in ein Umfeld eingebettet, in dem es Hintergrundzwänge gibt. Wie steht der Partner zu diesem Kind? Gibt es einen familiären Druck? Wie sieht’s mit Beruf und Karriere aus? Wie gestaltet sich die Einkommens- und Wohnsituation? Deswegen gibt es die gesetzliche Vorschrift, dass spätestens drei Tage vor dem Schwangerschaftsabbruch zwingend eine Beratung stattfinden muss. Das ist auch richtig so, denn trotz der freien Entscheidung ist dieser Vorgang eine große psychische Belastung für die Frauen. Nicht wenige bereuen solch einen Eingriff später und werden gleich danach wieder schwanger.

Was ist von Abtreibungsverboten zu halten?
Verbote führen zur Erhöhung der Dunkelziffern und zu größeren Risiken durch unprofessionelle Eingriffe. Perfektionismus rückt Grenzsituationen in den Fokus. Das Normale findet nicht statt. Dieses Denken zieht extreme Entscheidungen nach sich. Weicht ein Ungeborenes scheinbar – und nur leicht – vom Perfekten ab, kommt schnell ein Abbruch ins Gespräch. Obwohl alles Normal ist.

Bildunterschrift:
Dr. Stephan Henschen: „Selbstbestimmung, Kinder und Familie müssen Herzensentscheidungen sein. Schwangerschaftsabbrüche und Sterben aus wirtschaftlichen Gründen sind keine Optionen.“ Foto: Heiko Wruck

Zur Person
Perfektionismus ist Euthanasie, sagt Stephan Henschen und fragt, was passiert mit denen, die nicht perfekt sind?
Berufliches: 1983 - 1984 Zivildienst im Pflegeheim; 1984- 1985 zwei Semester Bauingenieursstudium; 1985 - 1991 Medizinstudium mit anschließender Promotion; 1991 - 1993 Arzt im Praktikum in Hameln; 1993 - 2000 Arzt an der Uni-Klinik Eppendorf, davon zwei Jahre Oberarzt, 2000 - 2010 Oberarzt am Johanniter-Krankenhaus Stendal, dort Aufbau eines zertifizierten Brustkrebszentrums; seit 2010 Chefarzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie Leiter der Palliativmedizin an der Helios-Klinik Schwerin 
Privates: geboren 1963 in Hamburg; aufgewachsen, Schule und Abitur in Jesteburg; fünf Söhne aus erster Ehe, zwei Töcher aus zweiter Beziehung, zusammen mit seiner heutigen Lebenspartnerin 11 Kinder, fünf davon leben noch im Haushalt; Hobby: Surfen, Tauchen, Wakeboard, Snowboard, Grenzen testen

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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