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Mittwoch, 8. März 2017

Studie zum Robo-Journalismus

Schreiben mit der Daten-Schablone
Redaktion: Ludwig-Maximilians-Universität München
PRESSEMITTEILUNG
München/gc. Der Einsatz des automatisierten Journalismus wird sich deutlich ausweiten, auch wenn seine Möglichkeiten begrenzt sind. Das macht guten Journalismus umso wichtiger, zeigen Medienforscher in einer Studie.


Keine Spürnase für Nachrichten, eindimensionale Geschichten: Wenn sie die
Fähigkeiten von „Robo-Journalisten“ beurteilen sollen, geben Journalisten gerne wenig schmeichelhafte Einschätzungen ab. Trotzdem, so zeigt eine neue wissenschaftliche Studie, gebe es Bestrebungen, den Einsatz der Software-Tools deutlich auszuweiten. Insbesondere Nachrichtenagenturen könnten von der Entwicklung profitieren. Allein bei der Nachrichtenagentur Thomson Reuters könnten „hunderte“ von Journalisten ersetzt werden, heißt es in der Untersuchung weiter, die jetzt im Fachjournal Digital Journalism erschienen ist.

Professor Neil Thurman vom Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU (IfKW), Konstantin Dörr vom Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich und Dr. Jessica Kunert (IfKW) haben für die explorative Studie Reporter, Redakteure und Führungskräfte internationaler Medienhäuser wie CNN, BBC, Thomson Reuters, Trinity Mirror und News UK interviewt. Zuvor haben die Befragten in einem Workshop praktische Erfahrungen mit einer marktreifen Software eins führenden Anbieters sammeln können. Automatisierter Journalismus generiert Texte aus strukturierten Datensammlungen – ohne menschliches Zutun, abgesehen von der ursprünglichen Programmierung des Tools. Schon heute wird er im Nachrichtengewerbe eingesetzt, etwa bei Associated Press (AP), der Los Angeles Times oder beim Wirtschaftsmagazin Forbes.

Automatisierter Journalismus sei aber komplett abhängig vom Datenmaterial, auch mögliche Aufhänger für Nachrichtenstücke müssten im Voraus programmiert werden, urteilen die befragten Medienpraktiker. Die produzierten Texte würden damit Komplexität und Kreativität des journalistischen Handwerks vermissen lassen und die Einordnung in den Nachrichtenkontext erschweren. Die befragten Journalisten sahen es zudem als einen deutlichen Nachteil, dass man für automatisierten Journalismus sozusagen die Struktur der Geschichten vorwegnehmen müsse. Ein Reporter des BBC sagte, man könne ein Ereignis oder Ergebnis im automatisierten Journalismus nicht bewerten oder hinterfragen, weil das Raster für den Artikel schon stehen muss, bevor überhaupt das Ergebnis da ist. Nachdem er selbst seine Erfahrung mit dem Tool in dem Workshop gemacht hatte, glaubt er, dass es nicht wert sei, dass die BBC die Technologie weiter erprobe.

Trotz dieser Hemmnisse können die Software-Tools Kosten sparen und die Berichterstattung in einigen Bereichen schneller und spezifischer machen, glauben die befragten Medienpraktiker. Journalisten von CNN und Reuters beispielsweise sagen, dass er „teure Angestellte“ ersetzen könne, die „ziemlich banale, aber zeitfressende Arbeiten“ machen. Ein Journalist bei der Nachrichtenagentur Reuters glaubt, dass die Automatisierung die Geschwindigkeit und Genauigkeit erhöhen könnte: „Wir prüfen das für alle Unternehmensbereiche.“ Ein anderer Reuters-Journalist sagte, dass automatisierter Journalismus für Themen eingesetzt werden wird, die andernfalls nicht abgedeckt werden könnten oder deren Nachrichtenwert bislang als nicht groß genug eingeschätzt wird.

Der Roboter-Journalismus, so das Ergebnis der Befragung, könnte auch die journalistische Objektivität gleichermaßen befördern wie bedrohen. Ein Journalist des Boulevardblattes The Sun glaubt, dass er die Faktentreue erhöhe, ein BBC-Journalist dagegen ist überzeugt, dass die Menge an automatisch generierter Information, es „voreingenommenen“ Akteuren und Organisationen leichter mache, die Nachrichten-Agenda zu beeinflussen.

„Die wachsende Nachrichtenflut und die zunehmende Automatisierung im Journalismus“, sagt Studienleiter Neil Thurman, „erschweren es, sich in einer von Information überladenen Welt zurechtzufinden. Dazu braucht es guten Journalismus und die Besinnung auf seine zentralen menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten: Urteilsvermögen, Neugier und eine gesunde Skepsis. Nur so können wir alle weiterhin sorgfältig, prägnant und umfassend über unsere Welt informiert sein.“

Ein Manuskript des Reports finden Sie hier:

Publikation:
Neil Thurman, Konstantin Dörr, Jessica Kunert:
When reporters get hands-on with robo-writing:
Professionals consider journalism’s capabilities and consequences
Digital Journalism 2017

Kontakt:
Prof. Dr. Neil Thurman
LMU, IfKW
Telefon: +44 (0)7813 009590
neil.thurman@ifkw.lmu.de

Aussender:
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