Suchen

Samstag, 25. November 2017

Auf die Reise gehen

von Heiko Wruck
KOLUMNE
Dass staatliche Wirtschaftslenkung eine Eigenschaft von Diktaturen sei, ist eine Mär. Auch in Demokratien ist dies durchaus üblich. Zum Beispiel in der Europäischen Union. Dort wechselt zwölfmal im Jahr das gesamte EU-Parlament von Straßburg nach Brüssel und zurück.

Das soll insgesamt über 200 Millionen Euro sowie circa 19.000 Tonnen CO₂ kosten. Die verlorene Zeit ist noch nicht eingerechnet. Es werden Schreibtische und Regale ausgeräumt, Akten transportiert, alles wieder eingeräumt und vieles mehr. Natürlich wechseln auch die Haustiere der Mitarbeiter und der Parlamentarier den Standort, ebenso deren Liebhaber und Mätressen. Es sei denn, man kann sich ein Zweitmodell am jeweils anderen Standort leisten.

Sicher, Europas Parlamentarier könnten auch mittels virtueller Realität regieren und auf die ständige Umzieherei verzichten. Doch wozu? Das ist Wirtschaftsförderung par excellence.

Schon im Mittelalter war der reisende Hofstaat des Kaisers ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor – dessen Tross ebenfalls gut versorgt sein wollte. Das brachte den Handel, die Prostitution und die Gerüchteküche kräftig in Schwung. Warum also nicht auch in Straßburg und in Brüssel gleichermaßen? Macht das Parlamentsbeispiel schule, entstehen reisende Unternehmen und fliehende Konzerne.

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
_____________________________________________