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Dienstag, 25. September 2018

Der Zug nimmt Fahrt auf

von Heiko Wruck
KOMMENTAR
Nur weil sie Nazis werden wollten, wurden die Deutschen auch welche.


Ihre Sehnsucht nach kollektiver Identität, nach politischer Autonomität, nach sozialer Anerkennung, nach Führung und ihr Glaube an die Nichtschuldfähigkeit des kleinen Mannes für die große Politik hat sie massenhaft überzeugte Nazis werden lassen. Ihre übersteigerte Eigenliebe, ein irrationaler Fremdenhass und ein darauf aufbauendes polarisiertes Freund-Feind-Denken haben einen Konformitätsdruck erzeugt, der zuerst auf Verständnis, dann auf Sympathiererei, schließlich auf Kumpanei mit den Nazis und zuletzt auf faschistische Überzeugungen hinaus lief. Ihr ausgeprägter Untertanengeist war für die Nazi-Werdung der Deutschen Voraussetzung, Werkzeug und Folge gleichermaßen.

Aus diesen Gründen konnte der Faschismus in Deutschland nicht mit Demonstrationen, Plakaten, Transparenten, Protesten, Saalschlägereien und auch nicht mit blutigen Straßenschlachten mit vielen Toten und Verletzten verhindert werden. Der Faschismus war politisch gewollt, ersonnen, konzipert, geduldet, lanciert und durchgesetzt. Folglich wäre er auch nur politisch zu verhindern gewesen. Deswegen ist ein vom Staat verordneter und konsequent durchgesetzter Antifaschismus allemal besser als gar keiner.

Deutschland befindet sich heute in einer ähnlichen Situation wie in der Zeit des im vorigen Jahrhundert erstarkenden Faschismus. Auch heute steht eine gesellschaftliche Mehrheit dagegen. Noch, denn Deutschland erfreut sich seit vielen Jahren eines robusten Konjunkturklimas. Doch Wirtschaft und Konjunktur bewegen sich ein Wellen. Dem Höhenflug folgt unweigerlich die Talfahrt. Dies wird der Augenblick sein, in dem auch in Deutschland der Faschismus wieder mehrheitsfähig wird. Die Weichen sind längst gestellt, und der Zug nimmt Fahrt auf.

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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