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Freitag, 15. März 2019

Was zählt, das nennt sich Fairness

Fachkräftenachwuchs bedarf durchdachter Konzepte
von Heiko Wruck
BERICHT
Lübz/gc. Die niedrigste Zahl mit 9.452 Schulabsolventen hatte Mecklenburg-Vorpommern in 2011. Sechs Jahre später waren es 3.285 Absolventen mehr. Hier liegt das Fachkräftenachwuchsproblem. Ein Drittel der Absolventen hat mit dem Abitur ein Studium im Blick und tritt keine Lehre an. Das zweite Drittel, die Realschulabsolventen, beginnt oft jenseits der Landesgrenzen eine Ausbildung. Das Drittel der Hauptschulabsolventen ist zwar ortsverbundener, aber auch hier werden oft Stadt- und Kreisgrenzen überschritten, wenn es um die Ausbildung geht.


Immer noch werden junge Menschen, deren Stärken eher im Handwerklichen liegen, unterschätzt. Das will die Lübzer Unternehmerin Marita Beck für ihr Restaurant Alter Amtsturm nicht akzeptieren. „Natürlich sind die Zeugnisnoten und die Schulabschlüsse nicht unwichtig. Aber sie sind auch nicht das Ende, sondern der Anfang der Entwicklung. Deshalb schauen wir uns jeden Bewerber genau an und geben im Rahmen unserer Möglichkeiten jedem seine Chance“, sagt die Dreiundfünfzigjährige.

So sind Isabell Horn (16) und Melissa Schulz (17), beide aus Karow, sowie Peter Derdulla (19) und Friederike Ahrens (20), beide aus Lübz, als Azubis in den Alten Amtsturm gekommen. „Eine Besonderheit ist Andreas Herrmann, der sich per Telefon aus Spanien bei uns beworben hat. Der Familienvater von zwei Kindern ist jetzt in Lübz im 1. Lehrjahr bei uns“, sagt die Restaurantmanagerin. Sie betreut die Auszubildenden im laufenden Tages- und Abendgeschäft.

Die Vorteile einer Ausbildung im ländlichen Raum sind zum Beispiel das Vorhandensein von günstigem Wohnraum am Ausbildungsort Lübz und damit verbunden kurze Wege zum Ausbildungsbetrieb. Auch die Berufsschule befindet sich lediglich 15 Kilometer entfernt in der Kreisstadt Parchim und kann gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden.

Es gibt ein gemeinsames Element bei allen Auszubildenden im Alten Amtsturm Lübz. „Jeder hat bei uns vor seinem Ausbildungsbeginn per Vertrag und Bezahlung einen Probemonat eingeräumt bekommen. So können beide Seiten sehen, ob alles passt“, sagt Marita Beck, die dieses Konzept entwickelt hat. Ein weiterer Baustein dieses Konzepts besteht in der Bereitstellung von Ferienjobs und Praktika. So lernen viele Jugendliche zwanglos und bei Bezahlung das Lübzer Restaurant als möglichen Ausbildungsbetrieb kennen und tauschen sich darüber auch untereinander aus. „Viele Gymnasiasten haben sich bei uns schon ihre Fahrerlaubnis verdient“, sagt Marita Beck. Sie stehen in der Saison nicht selten gerne als Springer zur Verfügung. Die Kommunikation läuft im Regelfall per Whats App.

„Tatsache ist, die Leute wollen arbeiten, wenn es fair ist“so Marita Beck weiter.

Bildunterschrift:
Ausbildungsleiterin Marita Beck (2. v. o.) und das Azubi-Team des Alten Amtsturmes in Lübz: Arbeitszeit und Freizeit müssen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, um jungen Menschen, aber auch den Unternehmen eine echte Perspektive zu geben. Diesem Anspruch stellt sich das Team. Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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