Wie die Vergangenheit auf das Heute wirkt
von Heiko Wruck
BERICHT
Hagenow/gc. Manchmal kann ein Rückblick in die Geschichte auch ein Ausblick in die Zukunft sein. Die Griese Gegend ist so ein Beispiel dafür. Der Sand, den die Gletscher der letzten Eiszeit zurückließen, hat Flugsandqualität. Er wehte sogar Dörfer zu, die daraufhin aufgegeben wurden.
Dessen ungeachtet hatten die Menschen im 16. Jahrhundert die umliegenden Wälder der Griesen Gegend abgeholzt. Weil der Boden so karg war und ist, brachte er nur sehr geringe Ernteerträge. So wenig, dass die Bauern „Plaggen“ (die Grasnarbe der Heide) stechen mussten, um sie als Einstreu für ihre Ställe zu verwenden. Je weniger Wald vorhanden und je mehr Plaggen gestochen waren, umso mehr Sand kam in Umlauf. Die kargen Ernten auf den mageren Böden wurden erst durch den Einsatz von Kunstdünger Anfang des 20. Jahrhunderts deutlich besser. Vor dem Hintergrund heutiger Klima-, Umwelt- und Landwirtschaftspolitik sehr interessante Fragen.
Die Siedlungs- und Ereignisse der Zeitgeschichte der Region werden im Museum für Alltagskultur der Griesen Gegend und Alte Synagoge Hagenow erfasst und archiviert. Das Gedächtnis der Region reicht bis weit in die Eisenzeit zurück und zeigt anhand zahlreicher Artefakte, wie vernetzt auch die damalige Welt bereits war.
Sehr gut dokumentiert ist im Hagenower Museum auch ein großer Teil Sozialgeschichte. Teutonen- und Germanenmythos sucht man hier vergebens. Statt dessen setzt das Museum auf nachvollziehbare Zusammenhänge, auf faktische Belege und auf zeithistorische Bezüge. Und es räumt Legenden aus dem Weg. So hatte beispielsweise nicht jeder Ritter eine eigene Burg.
Zahlreiche Ritter wurden mit einem sogenannten „festen Hof“ ausgestattet. Das waren – als einzige Höfe im Dorf – massiv ummauerte Einfriedungen, die mit Steingebäuden bebaut waren. Dem Bewohner dieses festen Hauses wurde ein Lehen seines Herrn und die Bauern zugesprochen. Im Gegenzug hatte er seinem Lehnsherrn im Krieg zu dienen.
Bildunterschrift 1:
Museumsleiter Herny Gawlick: Die Griese Gegend wurde als solche erst durch den zerstörerischen Eingriff des Menschen in die Natur geschaffen. Durch die massive Abholzung der umliegenden Wälder bis ins 16. Jahrhundert wurden in immer stärkerem Maße Flugsande freigesetzt, die auch Ortschaften wie Ramm unter sich begruben. Heute ist die Griese Gegend eine sandige Heidelandschaft. Foto: Heiko Wruck
Bildunterschrift 2:
Ernteergebnisse der Versuchsdüngung von Brachroggen auf dem Gehöft des Bauern Karl Scheer in Boek, um 1914. Kornsack links ohne Kunstdünger. Quelle: J. Becker aus „de grise Gegend“ von Mecklenburg-Schwerin , Berlin 1914. Foto (Repro): Heiko Wruck
Bildunterschrift 3:
Mecklenburgische Grenzkarte, der Südwesten (Ausschnitt), 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts: Das Dorf Neese mit Bauernhöfen, Kirche und festem Hof (Rittersitz) der Familie von der Jahn. Quelle: Tilemann Stella/LHA Schwerin Foto (Repro): Heiko Wruck
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