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Donnerstag, 18. April 2019

Was wurde aus der dörflichen Unterschicht?

„Mietshäuser auf dem Lande“ im Museum Hagenow
von Heiko Wruck
BERICHT
Hagenow/gc. Dorf ist nicht gleich Dorf. „Hier in Mecklenburg gab es Gutsdörfer und Bauerndörfer“, erklärt Henry Gawlick, Leiter des Museums für Alltagskultur der Griesen Gegend und Alte Synagoge Hagenow. Bauerndörfer waren Siedlungen von Domanial-Bauern, die auf gepachteter Feldmark arbeiteten. Gutsdörfer unterstanden in Leitung und Verwaltung ausschließlich dem Gutsherrn.


„Diese Unterteilung hat bis heute sichtbare Folgen. In den Bauerndörfern sehen wir heute zum Beispiel fast keine Katen mehr. Die sind in den Gutsdörfern häufiger anzutreffen“, sagt Gawlick. Eine Ursache dafür mag sein, dass Hirtenkaten und Tagelöhnerkaten, Armenkaten und sogenannte Altenteilerkaten in den Dörfern, die von Bauern bewirtschaftet wurden, weniger gebraucht wurden als in den Gutsdörfern. Denn immerhin waren diese Katen „Miethäuser auf dem Lande“, die als Unterkünfte den Menschen zur Verfügung standen, die kein eigenes Land besaßen.

„Mietshäuser auf dem Lande“ war auch der Arbeitstitel einer dreitägigen Konferenz, für die das Team des Regionalmuseums in Hagenow die Ausrichtung übernommen hatte. Die Fachtagung wurde von der bundesweit tätigen Interessengemeinschaft Bauernhaus (www.igbauernhaus.de) Ende März 2019 veranstaltet und rückte damit die Region Südwestmecklenburg in den Fokus. So wurden Katen, Gutshäuser und Kirchen besichtigt, unter anderem in Gammelin, Hülseburg, Parum, Dreilützow, Lehsen, Camin, Rodenwalde, Goldenbow, Körchow, Setzin, Goldenitz und Warlitz.

Die Geschichte der „Häuslinge“ (dörfliche Unterschicht) ist in weiten Teilen noch unerforscht. Zuletzt traf sich die Interessengemeinschaft Bauernhaus 1994 im Hagenower Museum. Das dörfliche Leben wird auch in der aktuellen Dauerausstellung des Museums gezeigt. Drei gänzlich neu gestaltete Räume wurden dafür hergerichtet.

Der erste Raum thematisiert die Wechselwirkungen von  natürlichen Gegebenheiten und menschlichem Zutun am Beispiel der Griesen Gegend. Der zweite Raum behandelt die Vor- und Frühgeschichte der Region von der Steinzeit bis zur Völkerwanderung und belegt diese mit zahlreichen Artefakten. Sensationell sind die Exponate aus den „Hagenower Fürstengräbern“ der Eisenzeit. Der dritte Raum widmet sich schließlich der Hagenower Regional- und Stadtgeschichte – von der ersten slawischen Besiedlung, über die Christianisierung und die mittelalterlichen Stadtgründungen bis in die Zeit um 1800.

Einen authentischen Einblick in das Wohnen und Wirtschaften der Menschen in der Vergangenheit gewährt die Ausstellung im Haus des Ratsdiensers Rick in Hagenow, Kirchenstraße 2. Dort wurde die tatsächliche Wohnsituation einer Angestelltenfamilie in der Zeit zwischen 1920 und 1940 nachgestellt. Die gute Stube mit stilechten Möbeln und Textilien wird ebenso gezeigt wie die Küche, die damals bereits mit den ersten Elektrogeräten bestückt war, die die Hausarbeit ganz maßgeblich erleichterten. Diese Reise in vergangene Zeiten der Region ist sehr interessant und auch für unsere Gegenwart sehr aufschlussreich.

Bildunterschrift:
Welche natürlichen Gegebenheiten sprachen dafür, dass sich in grauer Vorzeit Menschen in der Griesen Gegend ansiedelten? Und welche Wechselwirkungen traten ein zwischen der natürlich gewachsenen Umgebung und dem Wirtschaften der Menschen? Noch heute sind die Spuren jahrhunderte alter menschlicher Besiedlung in der Landschaft zu finden. Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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