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Sonntag, 22. März 2020

Jäger brauchen mehr Öffentlichkeit

Die Schweinepest ist noch nicht vom Tisch
von Heiko Wruck
GESPRÄCH
Neuhof/gc. Die Jagd ist auch in Mecklenburg-Vorpommern ein Spannungsfeld, das derzeit etwas aus dem Blick der Öffentlichkeit geraten ist. Im Gespräch erklärt der Vorsitzende des Kreisjagdverbandes Ludwigslust, Michael Kuhn, welche Prioritäten es aktuell im Jagdgeschehen gibt.


Hat denn das Coronavirus die Schweinepest verdrängt?
Nein, die Afrikanische Schweinepest ist immer noch eine sehr dringende Bedrohung. Allerdings noch nicht in Deutschland. Die Entwicklung in Sachen Corona überlagert alle anderen Krisen und Herausforderungen: Klima, Trockenstress, Borkenkäfer, Fidays for Future, Feinstaub, CO₂-Emissionen, Flüchtlingskrise, Krieg, Terror, Gewalt ...

Woran liegt es, dass die Schweinepest nicht akut ist?
Sie ist noch (!) nicht akut. Bei unseren europäischen Nachbarn aber schon. Dass es in Deutschland bisher noch keine Fälle gegeben hat, liegt vielleicht an der erhöhten Abschussquote beim Schwarzwild. Es werden Zäune gebaut – zwischen Dänemark und Deutschland steht bereits einer, auch Mecklenburg-Vorpommern will sich nach Polen hin mit einem Zaun gegen die Schweinepest schützen. Die relative Sauberkeit an den Park- und Rastplätzen auf Autobahnen, an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen spielt bei der Übertragungsverhinderung ebenfalls eine Rolle.

Wie wird denn die Schweinepest hauptsächlich übertragen?
Weniger durch den Kontakt von Wildschwein zu Hausschwein, aber mehr durch roh verarbeitete und dann weggeworfene oder zugefütterte Lebensmittel, durch Aas sowie durch den Blutaustrag der Aasfresser. Haus- und Wildschweine treffen sehr selten aufeinander. Allerdings werden im Ausland Tiere zu Lebensmitteln verarbeitet, die kontaminiert sein können. Kalt geräucherte Lebensmittel wie Mettwurst oder Schinken, die dann mit einem Pausenbrot unbedacht einfach weggeworfen werden, sind für Wildschweine Nahrungsquellen, die sie ganz sicher nicht unbeachtet lassen. Das wäre ein möglicher Übertragungsweg. Aber auch wenn Aasfresser wie Füchse, Wölfe, Dachse oder Raben krankes Aas tilgen, verbreiten sie die Schweinepest. Sie tragen Fleischbrocken weg und verlieren Teile davon. Oder sie treten in das Blut und verteilen es mit ihren Pfoten. Besonders bei fliegenden Aasfressern ist das ein Problem, weil sie nicht durch Zäune aufgehalten werden.

Man muss mehr schießen?
Ja, die Abschussquoten für Schwarzwild wurden deutlich erhöht. Allerdings auch für andere Wildarten, um Schäden einzugrenzen. Auch Schonzeiten wurden eingekürzt. Ich sehe das kritisch. Man kann kann nicht einfach alles wegschießen, was dem Jäger vor den Lauf kommt.

Über welche Schäden reden wir?
Unter der Trockenheit der vergangenen beiden Jahre hat der Wald heute noch zu leiden. Der Wildverbiss kommt zu diesem Schaden dazu. Es hat sich beispielsweise durch die Wiederansiedlung des Wolfes das Verhalten des Rotwildes geändert. Manche Rotwildreviere sind fast leer gezogen. Die Rudel haben sich von etwa 15 auf circa 100 Stück vergrößert und stehen an Stellen, die sie weitläufig überschauen können. Oft in der Nähe von Straßen. Wenn so ein Großrudel durch ein Revier zieht, hinterlässt es deutlich andere Schäden als mehrere kleine Rudel. Und an den Straßen häufen sich die Wildunfälle.

Die Jagd ist seit Jahren sehr umstritten. Besorgt Sie das?
Der Kreisjagdverband Ludwigslust hat heute 1.147 Mitglieder. Das Durchschnittsalter liegt bei 45 bis 50 Jahren. Aber in den Jagdschulen sind viele junge Leute, die das Handwerk erlernen. Damit kann auch ein Alters- und Imagewandel einhergehen. Ich fände es gut, wenn die Jagd wieder mehr Handwerk als nur bloßes Hobby wäre. Heute wird die Jagd zu oft als bloßes Gewerbe betrieben. Das bedeutet, dass Hobbyjäger und Jagdtouristen einen erheblichen wirtschaftlichen Beitrag zur Jagd leisten. Hier kollidieren Naturschutz und Wirtschaftsinteressen. Langfristige Nachhaltigkeit sollte auch in der Jagd oberstes Prinzip sein. Das teilweise schlechte Image der Jagd hängt auch mit der Entfremdung breiter Bevölkerungsteile von der ursprünglchen Natur zusammen. Hier sind die Jäger gefordert, sehr viel mehr Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Sie sollten Laien ihr Tun erklären. Sie müssen sachlich begründen, warum sie das eine tun und das andere lassen. Sie müssen sich nicht nur der Diskussion stellen, sondern sie auch aktiv suchen. Nicht nur im Kreise Gleichgesinnter. Das versuchen wir mit Projekttagen wie in Schildfeld, mit Aktionen wie Jagd erleben, mit Baumpflanzaktionen, mit der Vermittlung von jagdlichem Brauchtum, öffentlichen Auftritten, Messen sowie mit aktiver Kinder- und Jugendarbeit.

Bildunterschrift:
Michael Kuhn ist seit dem 21. Februar 2020 Vorsitzender des Kreisjagdverbandes Ludwigslust: Eines der Ziele des neuen Vorstands ist es, mehr Öffentlichkeit herzustellen. Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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