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Mittwoch, 29. April 2020

Gewalt gegen Journalisten steigt

Corona-Berichterstattung in Bangladesch
Redaktion: Reporter ohne Grenzen
PRESSEMITTEILUNG
Berlin/gc. Reporter ohne Grenzen (RSF) ist besorgt über die Zunahme von Gewalt und Justizschikanen gegen Journalistinnen und Journalisten, die über die Auswirkungen der Corona-Pandemie in Bangladesch berichten. In den vergangenen Wochen wurden Medienschaffende wiederholt brutal angegriffen und verletzt, willkürlich festgenommen oder wegen vermeintlich falscher oder diffamierender Berichte angeklagt. 


„Wir fordern die Justiz in Bangladesch auf, die Verantwortlichen für die gewalttätigen Übergriffe gegen Journalistinnen und Journalisten zur Rechenschaft zu ziehen“, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. „Gerade jetzt ist unabhängige Berichterstattung unverzichtbar. Die Regierung von Premierministerin Sheikh Hasina muss sich dafür einsetzen, dass die Pressefreiheit nicht weiter verletzt wird.“

Zuletzt traf es am vergangenen Donnerstag den Fernsehreporter Sajal Bhuiyan. Er recherchierte mit seinem Kollegen Baten Biplob über die Unterschlagung von Lebensmittelhilfen der Regierung, die wegen der wirtschaftlichen Not durch die Corona-Pandemie an benachteiligte Bevölkerungsgruppen im Bezirk Narsingdi der Haupstadt Dhaka verteilt werden sollten. Als sie sich einem Lokalpolitiker und seinen Gefolgsleuten näherten, wurden sie mit Stöcken geschlagen. Bhuiyan musste bewusstlos und mit blutverschmiertem Gesicht ins Krankenhaus gebracht werden.
Journalisten schwer verletzt

Am 21. April 2020 kam der Journalist Rezwan Karim Sabbir mit schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus. Der Reporter für die Tageszeitungen Nayadiganta und Sylhet Mirror in Jaintiapur im Nordosten des Landes war von einem Lokalpolitiker angegriffen worden, der sich über einen Artikel ärgerte, in dem Sabbir über einen lokalen Coronavirusfall berichtet hatte. Mitte April 2020 griffen mehrere Männer den Bangla-Vision-TV-Reporter Kamal Hossain in der Stadt Barishal im Süden Bangladeschs an. Hossain wollte über eine trotz der seit Ende März geltenden Ausgangssperre stattfindende Versammlung berichten.

Reporter ohne Grenzen registrierte zudem mehrere Fälle von Polizeigewalt. Am Abend des 21. April 2020 griffen mehrere Polizisten im Distrikt Thakurgaon im Nordwesten des Landes den Journalisten Abdul Latif Litu an, der für die Tageszeitung Bangladesh Pratidin und den Sender News24 TV arbeitet. Sie warfen ihm vor, gegen die Ausgangssperre verstoßen zu haben. Litu war auf dem Weg nach Hause, nachdem er den ganzen Tag darüber berichtet hatte, wie sich die Menschen vor Ort an die Vorschriften halten.

Mitte April 2020 wurde der Zeitungsreporter Tuhin Howlader an einem Checkpoint in Dhaka angehalten. Noch bevor er seinen Ausweis zeigen konnte, schlug ihn einer der Polizisten mit seinem Schlagstock. Howladers Verletzungen mussten im Krankenhaus behandelt werden.

Anklage gegen Journalisten
nach Berichten über Covid-19

Mehrere Journalistinnen und Journalisten sind wegen ihrer Berichterstattung über die Auswirkungen der Corona-Pandemie Justizschikanen ausgesetzt. Eine unrühmliche Rolle spielt dabei auch das Gesetz für digitale Sicherheit. Reporter ohne Grenzen kritisiert das 2018 verabschiedete Gesetz, laut dem „negative Propaganda“ mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft werden kann. Selbstzensur hat infolgedessen ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht, weil Chefredakteurinnen und -redakteure nicht riskieren wollen, dass sie verhaftet werden oder ihr Medium geschlossen wird.

Am 18. April 2020 wurde gegen vier Medienschaffende auf Grundlage des Gesetzes für digitale Sicherheit Anklage erhoben. Sie hatten über einen weiteren angeblichen Fall der Veruntreuung von Lebensmittelhilfen berichtet. Auf Grundlage des gleichen Gesetzes wurde drei Tage zuvor der Reporter Al Mamun Jibon angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, die Lokalregierung beleidigt und die öffentliche Ordnung gestört zu haben. In einem Facebook-Post hatte der Journalist Versäumnisse der Behörden kritisiert.

Den für die Nachrichtenseiten Bdnews24.com und Jagonews24.com arbeitenden Journalisten Rahim Shubho, Toufique Khalidi, Shaon Amin und Mohiuddin Sarker drohen wegen der „Veröffentlichung von beleidigenden, falschen, diffamierenden oder angsteinflößenden Informationen“ zehn Jahre Haft. Ein Lokalpolitiker der regierenden Awami League hatte Anzeige gegen sie erstattet.

Willkürliche Festnahmen

Am 14. April 2020 wurde der Journalist Golam Sarwar Pintu auf Grundlage des Gesetzes für digitale Sicherheit festgenommen. Laut RSF-Informationen veranlasste sein Artikel über Lebensmittelknappheit infolge des Lockdowns die Festnahme. Nachdem er eine Nacht in Polizeigewahrsam verbringen musste, verweigerte ihm ein Gericht die Freilassung gegen Kaution. Pintu sitzt nun in Untersuchungshaft.

Als die beiden Journalisten Shahjahan Ali Babu und Mazed Rahman am 12. April 2020 an einem Kontrollpunkt nahe der 200 Kilometer von Dhaka entfernten Stadt Bogura angehalten wurden, nahm die Polizei sie gewaltsam fest und brachte sie in eine nahegelegene Wache. Erst nachdem ein hochrangiger Offizier eingriff, kamen die Reporter frei.

Ähnlich erging es wenige Tage zuvor auch dem Zeitungsreporter Nasir Uddin Rocky. Auf dem Weg zur Arbeit in der Stadt Chittagong wurde er von einem Polizisten an einem Kontrollpunkt angehalten. Dieser beschuldigte ihn, gegen die Ausgangssperre zu verstoßen, schlug ihn und nahm den Journalisten fest. Erst ein Vorgesetzter des Polizisten ließ Rocky wieder frei.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Bangladesch auf Platz 151 von 180 Staaten. Mehr zur Lage der Journalistinnen und Journalisten vor Ort finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/bangladesch.

Aussender:
Reporter ohne Grenzen e.V.
Deutsche Sektion von Reporters sans frontières
Jennifer Schiementz (Pressereferat)

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