Kameruns Regierung hüllt sich in Schweigen
Redaktion: Reporter ohne Grenzen
PRESSEMITTEILUNG
Berlin/gc. In Kamerun ist ein vor Monaten festgenommener Fernsehmoderator in willkürlicher Haft der Armee gestorben. Samuel Wazizi war am 2. August 2019 festgenommen und zunächst auf einer Polizeiwache in Buea festgehalten worden, der Hauptstadt der englischsprachigen Region Southwest.
Seit Soldaten ihn fünf Tage später abholten und zu einer örtlichen Militärbasis brachten, hatten Wazizis Angehörige und Anwälte weder Kontakt zu ihm noch Informationen über seinen Verbleib. Vergangene Woche tauchte er auch bei einem Gerichtstermin nicht auf. Nun bestätigten mehrere Quellen seinen Tod, der am Dienstagabend, 2. Juni 2020, zuerst von einem Fernsehsender gemeldet wurde.
„Samuel Wazizis Tod in illegaler Haft ist das schlimmste Verbrechen seit zehn Jahren gegen die Pressefreiheit in Kamerun“, sagte der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr. „Dieser Journalist hätte erst gar nicht in Militärgewahrsam gelangen dürfen. Kameruns Regierung muss ihr unerträgliches Schweigen über diesen Fall endlich beenden, Wazizis Familie seine Leiche übergeben und unabhängig untersuchen lassen, wie es zu dieser Tragödie kommen konnte und wer dafür verantwortlich ist.“
Wazizi – mit bürgerlichem Namen Samuel Abuwe Ajiekha – arbeitete bei dem privaten Fernsehsender Chillen Media Television (CMTV) in Buea. Ihm wurde vorgeworfen, in seinen Sendungen Kritik an den Behörden und ihrem Umgang mit den Unruhen im englischsprachigen Teil Kameruns geübt zu haben. Seit rund drei Jahren gibt es dort gewalttätige Zusammenstöße zwischen separatistischen Gruppen und Sicherheitskräften. Mehr als 3200 Menschen wurden bislang bei den Unruhen getötet, mehr als 700.000 vertrieben. Immer wieder wurde das Internet abgeschaltet oder stark gedrosselt, teils monatelang.
Haftprüfungstermin erzwungen
Nachdem Wazizi zu einem von seinen Anwälten erzwungenen Haftprüfungstermin am 28. Mai 2020 nicht erschien, mehrten sich die Befürchtungen, dass er inzwischen tot sei. Am Dienstagabend meldete der private Fernsehsender Equinoxe TV unter Berufung auf Kreise im Umfeld des militärischen Oberkommandos, der Journalist sei an einem unbekannten Datum während der Überstellung in Kameruns Hauptstadt Yaoundé gestorben.
Seit Tod wurde vom Leiter des nationalen Journalistenverbands SNJC bestätigt. Ein hochrangiger, mit dem Fall vertrauter Armeeoffizier sagte Reporter ohne Grenzen, Wazizi sei krank gewesen, nannte jedoch keine Einzelheiten. Eine Quelle im Militärkrankenhaus von Yaoundé sagte, die Leiche des Journalisten sei am Montag, 1. Juni 2020, „unter schwerer Bewachung“ dort eingetroffen. Weder der Regierungssprecher noch das Verteidigungsministerium antworteten auf Anfragen von RSF.
Die Umstände von Wazizis Tod sind bislang völlig unklar: Starb er infolge von Misshandlungen nach seiner Festnahme, wie seine Anwälte vermuten? War er krank und wurde nicht angemessen medizinisch versorgt, wie Informationen aus Armeekreisen nahelegen?
Auch 2010 starb ein Journalist in Haft
Vor zehn Jahren kam schon einmal ein Journalist in Haft in Kamerun ums Leben: Ngota Ngota Germain (auch bekannt als Bibi Ngota), Chefredakteur der Zeitschrift Cameroun Express, starb am 22. April 2010 im Gefängnis Kondengui in Yaoundé. Die Behörden sprachen von „Sekundärerkrankungen infolge einer HIV-Infektion“ als Todesursache. Seine Familie vermutete dagegen, sein Asthma und Bluthochdruck seien nicht richtig behandelt worden.
Seit Monaten bemüht sich RSF, einem weiteren Journalisten ein solches Schicksal zu ersparen. Der ehemalige Generaldirektor der staatlichen Rundfunkanstalt CRTV, der 70-jährige Amadou Vamoulké, sitzt seit fast vier Jahren im Kondengui-Gefängnis in Untersuchungshaft. Inzwischen ist in der Haftanstalt mindestens ein Fall einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus festgestellt worden. Nach monatelangen Bemühungen, Vamoulkés Haft aus medizinischen Gründen aufzuheben, hat sich RSF wegen seines Falls inzwischen an den UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Gesundheit gewandt.
Kamerun steht auf Platz 134 von 180 Ländern auf der Rangliste der Pressefreiheit.
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