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Montag, 22. Februar 2021

Die Menschen träumen auch morgen

Filmpalast Capitol bekommt junge Doppelspitze
von Heiko Wruck
BERICHT

Schwerin/gc.
Die Corona-Pandemie hat verursacht, dass in 2020 die deutschen Kinos nach Angaben der Filmförderungsanstalt knapp 70 Prozent weniger Tickets verkauft haben. So konnten lediglich 38,1 Millionen Karten unters Volk gebracht werden. Das waren circa 80,5 Millionen Tickets weniger als 2019. Trotzdem blicken die drei Kino-Experten optimistisch in die Zukunft und bauen ihre beruflichen Perspektiven darauf auf. Im Gespräch erklären sie, worauf sich ihr Optimismus gründet und welche Zukunft für sie das Kino hat.


Dreifacher Wechsel
in der Chefetage

Im Juni 2020 kam David Omland (33) nach Schwerin und übernahm Verantwortung als Theaterleiter im Filmpalast Capitol. Nun wird er zum 1. März als Theaterleiter ein deutlich größeres Haus in Kassel verantworten. Damit übernehmen die bisherigen Theaterleiterassistenten Tim Harneit (30) und Hartmut Kohlschmidt (29) als neue Theaterleiter die Geschäfte des Filmpalasts. Beide arbeiten seit über 10 Jahren im Capitol.

Das Kino wird es noch
sehr lange geben

„In und nach einer Krise hatten Kinos historisch immer einen großen Zulauf. Das ist auch diesmal so. Aber das Kino wird sich verändern“, sagt Tim Harneit. Den Zulauf erklärt sich der Kino-Mann mit dem Wunsch des Publikums nach kollektiven Kulturerlebnissen. »Es ist ein riesiger Unterschied, ob man einen Film allein oder zu zweit vor der Flimmerkiste sieht oder ob man gemeinsam mit vielen anderen ein echtes visuelles und akustisches Erlebnis in überwältigender Seh- und Klangqualität hat.« Harneit macht dabei auch auf die technischen Innovationen aufmerksam. Die 3D-Technologie hatte einen kurzen Hype erzeugt.  Jetzt steckt die Filmwirtschaft diesbezüglich in einer Konsolidierung. Künftig werden 3D-Filme qualitativ noch deutlich hochwertiger werden. Außerdem zeigt sich bereits in anderen Medien ein erster Lichtstreif in Sachen Holografie. Zwar ist diese Technologie heute noch nicht im Kino angekommen. Aber sie steht bereits in den Startlöchern. Für Harneits Kollegen Hartmut Kohlschmidt ist mit der technischen Entwicklung der Wandel des Kinos als Erlebnisstätte aber noch längst nicht beendet. Kohlschmidt: »Langfristig wird das Kino seine Exklusivität verlieren, wenn es allein auf das Abspielen von Filmen setzt. Es bedarf immer mehr eines Event-Charakters, der um jeden Kinobesuch herum aufgebaut werden muss.« Dazu gehören Verantstaltungen außerhalb von Filmvorführungen wie Live-Streamings großer Opernaufführungen oder von Sportverantstaltungen wie des Super Bowl oder Klassik-, Rock- und Pop-Konzerte. Die Saalgrößen sind flexibel, wodurch auf jede Nachfrage eingegangen werden kann. Außerdem wird sich die Gastronomie ändern. Kino wird dann sehr viel mehr sein als nur Film, Popcorn und Cola.

Das Servicepersonal macht
künftig den Unterschied

Ganz ähnlich sieht es auch David Omland: „Die Digitalisierung bewirkt zwar, dass der personelle Aufwand für die eigentliche Film- oder Streamingvorführung immer weiter reduziert wird. Aber darunter darf das Erlebnis des Kinobesuchs nicht leiden. Karten können gewiss auch online bestellt werden. Snacks und Getränke können auch aus einem Automaten gezogen werden. Doch damit geht der zwischenmenschliche Kontakt verloren. Ohne andere Menschen findet kein Erlebnis mehr statt.“ Für Omland ist es daher recht klar, dass künftig bestens qualifiziertes, motiviertes  und engagiertes Servicepersonal den Unterschied macht.

Abendfüllende Angebote
auf hohem Niveau

Das Lichtspielhaus der Zukunft sehen die drei Kino-Leute als Melange aus Filmwelt und Event-Arena. Filme sind der Stoff, aus dem die Träume sind. Diese Träume werden in den Traumfabriken produziert. Zum Leben erwachen sie erst im Universum eines Event-Kinos. Dort werden die kleinen und großen Geschichten erzählt und gelebt. Gastronomie, Lesungen, Konzerte, Sportevents, Mitternachtskino, Themenabende und vieles mehr sind bereits das zweite Standbein, das ausgebaut wird. Doch der Film bleibt die Nummer eins.

Bildunterschrift:
Tim Harneit (li.) und Hartmut Kohlschmidt (re.) übernehmen ab 1. März 2021 als neue Theaterleiter die Geschäfte des Filmpalasts Capitol in Schwerin. David Omland (Mitte) geht nach Kassel. Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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