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Samstag, 13. März 2021

Jeder Hund weiß sehr genau, dass er für den Wolf nur die Beute ist!

Isegrim in Lassahn, Gespräch mit Jäger Michael Kuhn
von Heiko Wruck
GESPRÄCH

Lassahn/gc.
Am vergangenen Sonntagabend, 7. März 2021, wurde kurz nach 22 Uhr ein Wolf in Lassahn am Schaalsee gesehen.

Ein abendlicher Gassigänger mit einer starken Lampe war am Beginn des Radweges unvermittelt auf Meister Isegrim getroffen. Alle drei »Wanderer« waren überrascht. Hund und Herrchen blieben still stehen, der Wolf in circa 30 Metern ebenfalls. Dann gingen die Gassigänger zurück ins Dorf. Der Wolf zog seiner Wege. Zwei Tage später, wiederum kurz nach 22 Uhr, waren der Hund und sein Herrchen erneut zum letzten Gassigang des Tages auf derselben Strecke unterwegs. Plötzlich blieb der Hund mit eingeklemmtem Schwanz stehen und war nicht zu bewegen, auch nur einen Zentimeter weiter in die Richtung des Radweges zu laufen. Ein Wolf war jedoch nirgends zu entdecken.

Herr Kuhn, was meinen Sie zu diesen Vorgängen?
Erst mal hat der abendliche Spaziergänger alles richtig gemacht. Er hatte eine starke Lampe dabei und wurde damit für das Wild, also auch für den Wolf sichtbar. Als sich Wolf, Hund und Mensch begegneten, zogen sich Mensch und Hund ohne Panik zurück. Und beim zweiten Mal, als der Hund nicht weiter wollte, hat sein Hundeführer ebenfalls richtig reagiert und auf seinen Hund gehört. Jeder Hund weiß, dass er nur die Beute für den Wolf ist – das gilt für Sofakönige und Jagdhunde gleichermaßen. Einen Hund, der so klar eine Gefahr anzeigt, weiterzuziehen, ist ganz bestimmt alles andere als klug und umsichtig. Hundeführer sind also gut beraten, das Verhalten ihrer Hunde genau zu beobachten und solche Signale keinesfalls zu ignorieren.

Müssen sich die Lassahner jetzt auf ein Wolfsrudel einstellen?
Das glaube ich nicht. Am Schaalsee melden Landwirte seit etwa vier Jahren immer mal wieder Wolfssichtungen. Das sind durchziehende Tiere, die auf der Suche nach neuen Revieren oder Anschluss sind. Für ein neues Wolfsrudelrevier ist die Umgebung von Lassahn nicht geeignet. Es fehlen tiefe, weitläufige Wälder als mögliche Rückzugsorte. Es kann aber sein, dass sich Einzelgänger länger an einem Ort aufhalten.

Also eine komplette Entwarnung für die Lassahner?
Auch Einzelwölfe wollen fressen. Sie nehmen, was sie kriegen: Hühner, Gänse, Karnickel, Schafe, Kälber, Fohlen, Hunde, Wild ... Je geringer das Risiko, umso größer die Begehrlichkeiten. Dafür überwinden sie Zäune und Mauern oder dringen in Höfe ein. In menschlichen Siedlungen besteht zusätzlich das Problem, dass die Menschen unbewusst auch den Wolf anfüttern, wenn sie zum Beispiel streunende Katzen und Hunde versorgen, Lebensmittel unbedacht in die Landschaft werfen oder Essensreste über den Balkon beziehungsweise auf dem Komposthaufen entsorgen. Das zieht Tiere an: Marder, Marderhunde, Füchse, Wildschweine und eben auch den Wolf. Das führt immer zu Konflikten.

Wo verlaufen Konfliktlinien zwischen Wolf und Mensch?
Dort, wo es für den Wolf ohne Risiko was zu fressen gibt. Was das ist, erlernt er. Er ist nicht ängstlich, sondern vorsichtig, beobachtet und testet. Das passiert im Stadtpark genauso wie auf der Koppel am Dorfrand, auf der beliebten Reit- und Fahrradstrecke, auf einem schönen Waldweg oder auf dem eigenen Gehöft. Jedes Tier kann lernen, ein Kulturfolger zu werden. Deswegen werden Rehe, Füchse, Marder, Dachse und Wildschweine oft in der Nähe unserer Behausungen gesehen. Warum sollte ausgerechnet bei einem Wolf alles anders sein?

Und was ist denn nun den Lassahnern zum Wolf zu raten?
Nicht in Panik zu verfallen, aufmerksam zu sein und sich vernünftig zu verhalten. Das heißt: Hunde an die Leine, Zäune, Stall- und Gehegetüren in Schuss halten. Vielleicht auch ein paar Stromabweiser anbringen. Auf jeden Fall aber sollten keine Lebensmittelreste oder Tierfutter unter freiem Himmel zu finden sein. Wer in der Dunkelheit oder in der Morgen- beziehungsweise Abenddämmerung unterwegs ist, sollte sich mit Licht und Geräuschen bemerkbar machen und nicht unbedingt an einsamen, unbeleuchteten Orten verweilen. Spaziergänger sollten die Wege nicht verlassen und nicht querfeldein laufen. Wer einen Kadaver entdeckt, der sollte schleunigst das Weite suchen.

Ist das wegen eines Wolfes nicht alles sehr übertrieben?
Man sollte den Wolf gewiss nicht verteufeln. Man sollte ihn aber auch nicht verharmlosen. Er gehört in die Natur. Allerdings ist die Natur keine romantisch verklärte Parklandschaft, die in friedlicher Idylle Liebespaaren ein Refugium bietet. Natur ist in erster Linie Überlebenskampf. Das gilt genauso für die Krabbenspinne, die sich eine niedliche Biene greift. Das gilt ebenso für den Fuchs, der wie im Lied besungen, die Gans gestohlen hat. Und es gilt auch für den Wolf, der immerhin nach dem Bären das zweitgrößte Landraubtier Europas ist.

Bildunterschrift:
Michael Kuhn, Vorsitzender Kreisjagdverband Ludwigslust e. V., und seine fast dreizehnjährige Dachsbracke Kara müssen immer damit rechnen, auf einen Wolf zu treffen. Der Hund zeigt klar an, wenn ein Wolf in der Nähe war oder ist. Das Verhalten des Hundes zu ignorieren, ist in keinem Fall klug. Foto: Heiko Wruck

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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