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Sonntag, 14. März 2021

Kassenbuch und Zollstock haben ausgedient

von Michael Lange, Hansabrief
AUFSATZ
Das Internet ist ein Ort, an dem sich Blinde mit Gehörlosen gleichzeitig mit stummen Menschen austauschen können. Es spielt dabei keine Rolle, ob sie Experten oder Laien sind, ob sie lesen können oder welche Sprache sie verstehen.

Und sie können sich natürlich ebenfalls in Echtzeit mit Menschen austauschen, die ohne körperliche Beeinträchtigungen leben. Auch der Bildungsstand spielt für den technischen Prozess keine Rolle. Technik muss lediglich einfach zu bedienen sein, und sie muss zuverlässig funktionieren.Eltern noch sehr, sehr junger Kinder wissen, wsas gemeint ist. Bereits Zweijährige lernen in Windeseile, was es alles auf den Smartphones und Tablets ihrer Eltern zu entdecken gibt. Sie wissen, wo sie ihre Spiele finden. Sie tippen gezielt auf die App, die ihnen Tier- und Trickfilme zeigt. Sie finden ihre Musik, ohne wirklich etwas von der Technik zu verstehen, die dahinter steckt. Nur in der Erwachsenenwelt ist dieser Technikkomfort noch nicht richtig angekommen.

Wer einen neuen Personalausweis oder einen neuen Reisepass bekommen möchte, kann ihn zwar online beantragen. Trotzdem muss man persönlich ins Rathaus oder ins Bürgeramt gehen, um das Dokument fertigzustellen. Die persönliche Idantifizierung wird von kaum einem Rathaus oder einer Behörde online angeboten. Die Technik dafür ist bereits vorhanden. Sie wird nur nicht eingesetzt. Oder versuchen Sie mal, ein Auto zuzulassen. Allein das Thema Homeschooling in der Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, wo die Defizite liegen. Aber es geht noch sehr viel weiter. Berufsgenossenschaften sind heute kaum in der Lage, ihre Mitgliedsunternehmen mittels digitaler Werkzeuge auf die Einhaltung von Arbeitssicherheitsvorschriften zu kontrollieren.

Dokumentierungen, Selbsterklärungen, Schulungen und vieles mehr lassen sich heute bereits am Smartphone, Tablet und Computer online erledigen. Dafür muiss niemand mehr auf eine Reise geschickt werden. Aber wird es getan: nein! Noch immer laufen Fachkräfte für Arbeitssicherheit in den Betrieben herum und sammeln manuell Unterschriften für Teilnahmebestätigungen ein. Noch immer werden Listen für die Kenntnisnahme unterschrieben, obwohl die betreffende Person die zugehörigen Dokumente gar nicht gelesen geschweige verstanden hat.

„Ich habe dir eine E-Mail mit den Unterlagen zur Brandschutzschulung geschickt. Auf dem Tisch liegt die Liste. Unterschreibe dort mal, dass du das gelesen hast.“ So oder so ähnlich lauten viele Ansagen. Dabei gibt es heute bereits digitale Lösungen, die solche Schulungen – inklusive Prüfung und Zertifizierung – bereits rein digital ermöglichen. Statt dessen werden Mitarbeiter für viel Geld auf Reisen geschickt, um persönlich an einem Seminar teilzunehmen, das sie auch bequem am Computer erleben könnten. Digitales Leben hat viele Facetten. Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Ihre persönliche Präsenz an einem Ort wirklich notwendig ist? Natürlich möchte man auch mal gerne mit Kollegen reden. Jeder braucht auch mal einen Tapetenwechsel. Doch allein wegen dieser beiden Kriterien lohnt es kaum, mit einen einstündigen Arbeitsweg auf sich zu nehmen.

Was könnten wir alles im täglichen Leben auch digital erledigen. Zum Beispiel den Einkauf im Supermarkt. Der ließe ich jetzt schon bequem vom Küchentisch aus bewerkstelligen. So bleibt immer noch die Wahl, ob man selbst zum Supermarkt führt, um seine Bestellung abzuholen oder ob man sich die Bestellung liefern lässt. Bezahlt ist sie ja schon. Oder müssen Sie ihr Auto tatsächlich selbst zur Inspektion bringen. Eine Nachricht auf dem Smartphone genügt völlig, um einen Mitarbeiter der Werkstatt Ihres Vertrauens das Auto abholen und zurückbringen zu lassen, Leihwagen inklusive. Den Rest – inklusive Kommunikation mit dem Werkstattmeister, Prüfbericht, Rechnungsstellung und Bezahlung – kann digital erledigt werden. Oft wird der Niedergang der Innenstädte wegen der immer stärkeren Zunahme des Online-Handels beklagt. Die Skeptiker befürchten eine Entleerung der Innenstädte. Die kleinen Geschäfte und die großen Kaufhäuser, die Malls und die Märkte würden durch den Online-Handel verschwinden. Das Gegenteil wird der Fall sein. Wenn die vielen kleinen Geschäfte, die großen Kaufhäuser die Malls, die Kunstgalerien und die Märkte auch digital bequem zu erreichen sind, wird der Anreiz größer, sie zu besuchen. Man geht nur informierter los. Richtig ist, Geschäfte, die sich jetzt nicht konsequent digital aufstellen, werden vom Markt verschwinden. Das bleibt unvermeidbar. Doch wem es gelingt, sich digital nicht nur sichtbar, sondern auch geschäftfähig zu machen, der wird sich rasch Kundengruppen erschließen, die weit jenseits der eigenen Stadtgrenzen leben. Denn ein gutes Produkt, ein gutes Angebot findet immer seine Kunden. Wo sie leben, ist zweitrangig. Oder haben Sie sich schon mal ernsthaft gefragt, wo das Lager steht, aus dem der Wasserkocher geliefert wird, den Sie gerade bei Amazon oder auf ebay gekauft haben?

Doch mit dem Handel allein ist der digitale Wandel nicht gemacht. Auch sämtliche Handwerksbetriebe müssen sich der digitalen Disruption stellen, wollen sie künftig am Markt bleiben. Buchhaltung, Bestellwesen, Auftragsmanagement, Dokumentation und vieles mehr lassen sich bereits heute bequem über die Cloud und Clouddienstleister bewerkstelligen. Kein Computer mehr, der abstürzt oder nach ein paar Jahren hoffnungslos veraltet ist. So wie das Ausmessen von Entfernungen, Volumina, Räumen, Strecken und Flächen sowie Inhalten heute mittels einer Handy App erfolgt, so lassen sich auch viele Arbeitsprozesse digital optimieren. Der Zollstock hat ebenso im Handwerk ausgedient wie das handgeschriebene Kassen- und Rechnungsbuch. Die Digitalisierung unseres kompletten Lebens ist hier nicht zu Ende.

Sie beginnt gerade erst. Telemedizin, Industrie 4.0, Arbeit 2.0, Echtzeitkommunikation oder Blockchain-Technologie sind nur die gerade aktuellen Schlagwörter, die gegenwärtig diesen digitalen Wandel begleiten. Es liegt an uns allen, ihn sinnvoll zu gestalten. Bei dieser Gestaltung ist jeder Einzelne gefragt. Das bedeutet nicht, dass Sie sich zum Programmierer ausbilden lassen müssen, aber sie dürfen sich etwas wünschen. Welche digitale Neuerung würde ihr Leben vereinfachen, bereichern oder verschönern? Darüber lassen Sie uns diskutieren. Ich lade Sie ganz herzlich ein, Ideen für die Digitalisierung Ihrer Arbeitswelt zu sammeln. Lassen Sie uns gemeinsam Ideen entwickeln und Lösungen erdenken.

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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