Suchen

Montag, 28. Februar 2022

Im Schatten der Waffen

Auge um Auge und die Welt wird blind
... von Heiko Wruck
KOMMENTAR
Putin ist der Verbrecher der Stunde. Das steht außer Zweifel. Er ist allerdings auch das Ergebnis des Versagens des Westens.

Putins Ukraine-Krieg mit Truppenaufstockungen an der russischen Westgrenze und Waffenlieferungen beenden zu wollen, ist, als würde man Öl ins Feuer gießen. Daraus könnte sich sehr schnell ein Flächenbrand entwickeln, der auch die deutschen Vorgärten erreicht und schließlich den Untergang des Planeten einleitet. Wer jetzt also mit möglichst großer Härte zurückschlagen will, sollte dieses Szenario im Blick behalten.

Ein möglicher Weg, aus diesem Krieg herauszukommen, wäre vielleicht, Putins Forderungen ernst zu nehmen und die NATO aus Osteuropa zurückzuziehen. Im Gegenzug dafür würde Putin möglicherweise die Ukraine inklusive der Krim hergeben. Das Kalkül ist einfach. Mit einer großen, komplett demilitarisierten Zone in Osteuropa wird genügend Abstand geschaffen, um eine militärische Reibungsfläche mit Russland zu vermeiden. Die östlichen NATO-Mitgliedsländer könnten dabei durchaus Mitglieder des Militärbündnisses bleiben. Sie wären jedoch vollständig entmilitarisiert. Geschützt blieben sie allemal angesichts der Anzahl, der Reichweiten, der Zerstörungskraft und nicht zuletzt der Marschgeschwindigkeiten moderner Waffensysteme. Es bedarf nicht eines einzigen NATO-Soldaten an der russischen Westgrenze, um den Schutz der östlichen NATO-Partner zu gewährleisten.

Das amerikanische Jahrhundert ist vorbei. Westeuropa, dessen einstige Vormachtstellung sich allein auf ein weltumspannendes Kolonialreich gründete, ist globalpolitisch bedeutungslos geworden. In den nächsten 10 bis 20 Jahren werden sich die Machtstrukturen zwischen den USA, Russland und China neu sortieren. Das wird weder spannungsfrei noch friedlich werden. Wenn Westeuropa künftig überhaupt noch irgendeine Bedeutung in der Welt haben will, und damit auch eine Zukunft, dann gewiss nicht als Militärmacht, sondern allein als Technologiestandort und als Handelszentrum. Deswegen sind für Westeuropa, namentlich für die Europäische Union, sämtliche Verhandlungen im Schatten der Waffen absurd.

Tatsache ist, dass Westeuropa ohne Osteuropa keine Zukunft hat. Und das bedeutet, dass auch Russland dazu gehört. Und zwar in vollem Umfang als gleichberechtigter Partner. Das setzt Empathie und Verhandlungsbereitschaft voraus. Alles andere führt in die Katastrophe. Wie sagte Gandhi: „Auge um Auge und die Welt wird blind.“

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
______________________________________