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Donnerstag, 21. April 2022

Schwere Waffen sind Kassengold, mehr nicht

... von Heiko Wruck

KOMMENTAR
Die Forderung, der kämpfenden Ukraine schwere Waffen zu liefern, lässt Twitter-Strategen und Sofa-Generäle in romantischen Kriegsvorstellungen schwelgen. Siegesbesoffen schwadronieren sie davon, dass ohne diese Waffenlieferungen die Ukraine dem Untergang geweiht sei.

Dabei wird die Diskussion um die schweren Waffen allein auf leichte und mittlere Panzer reduziert. Der Begriff umfasst jedoch sehr viel mehr. Schwere Waffen sind Kampfpanzer, gepanzerte Transportfahrzeuge, leichte Panzer, Mehrfachraketenwerfer (Stalinorgeln) , selbstfahrende und gezogene Geschütze (> 100 mm), Kampfhubschrauber, Starrflügel-Jagdflugzeuge, Großkampfschiffe (> Korvette) und U-Boote).

Es entsteht der Eindruck, dass Panzerlieferungen allein das Mittel der Wahl sind, um der Ukraine wirksame Militärhilfe zu leisten. Helfen werden schwere Waffen allein den Rüstungsunternehmen, die sie verkaufen. Nicht jedoch den Soldaten.

Wenn zu diesen Waffen keine rückwärtigen Dienste und keine begleitenden Waffengattungen gestellt werden, dann nützen sie auf den Schlachtfeldern gar nichts. Panzer ohne Artillerieunterstützung, ohne Fliegerdeckung und ohne begleitende Infanterie liegen wie Enten auf einem Teich. Sie können leicht aus der Deckung heraus angegriffen werden und haben keine Chance, dem unsichtbaren Feind zu entkommen. Sie brauchen den Fußsoldaten an ihrer Seite, um den versteckten Panzerjäger vorher zu erwischen. Sie brauchen die Artillerie, um die gegnerischen Kräfte in ihren Stellungen zu zerstören und niederzuhalten. Sie brauchen Fliegerunterstützung, um die gegnerische Panzerabwehr auszuschalten. Allein sind die Panzer auf dem Gefechtsfeld taub und blind. Doch selbst wenn begleitende Waffengattungen vor Ort sind, brauchen schwere Waffen starke rückwärtige Dienste, die ihnen Munition, Kraftstoff und Ersatzteile liefern.

Rufen wir uns in Erinnerung: Bisher hat keine einzige Waffenlieferung einen Krieg beendet. Und auch der II. Weltkrieg wurde letztlich von den Infanteristen gewonnen. Sie haben die gegnerischen Gräben gestürmt, die Soldaten Auge in Auge niedergemacht, Gefangene festgesetzt, das Land besetzt und schließlich eine neue Verwaltung mit einem neuen Staat geschaffen und aufgebaut. Dazu waren weder die Russen noch die NATO in zweimal 20 Jahren in Afghanisan in der Lage.

Wer die Lieferung von schweren Waffen fordert, muss früher oder später auch Soldaten am Boden zum Einsatz bringen. Spätestens dann steht der Westen mitten drin im III. Weltkrieg. Aber nur, falls Putin nicht vorher die Waffenlieferanten angreift.

Und wenn der Westen tatsächlich nach den schweren Waffen auch Soldaten liefert, dann muss man davon ausgehen, dass die NATO die romantische Vorstellung hat, Russland besetzen zu können. Denn anders wäre dieser Krieg militärisch nicht zu beenden. Das bedeutet, es muss ein Land militärisch besetzt werden, das sich über elf Zeitzonen erstreckt und fast 150.000.000 Einwohner hat. Trotz aller Widerstände.

Kontakt:
Heiko.Wruck@t-online.de
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