Beleidigungen auf Social Media
Redaktion: bidt
PRESSEMITTEILUNG
München/gc. Beleidigungen, welche die Persönlichkeitsrechte verletzen, sind ein großes gesellschaftliches Problem – online wie offline. Eine neue bidt-Studie zeigt, dass Betroffene in Deutschland Beleidigungen häufiger im realen Umfeld als auf Social Media erfahren. Doch auch im Netz ist die Zahl der strafbaren Beleidigungen hoch – darunter Beschimpfungen oder Herabwürdigungen aufgrund von Nationalität oder Geschlecht. Nur etwa die Hälfte der Betroffenen meldet die Vorfälle. Aussichtslosigkeit und Rechtsunsicherheit sind wesentliche Gründe dafür. Auch geringes Vertrauen in den Staat könnte eine Rolle spielen.
Vor dem Hintergrund des in Deutschland geplanten Gesetzes gegen digitale Gewalt befasst sich eine aktuelle Studie des Bayerischen Forschungsinstituts für Digitale Transformation (bidt) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mit Beleidigungen auf Social Media und bestehenden Beschwerdemechanismen.
Die Studie untersucht Beleidigungen, die im juristischen Sinne eindeutig nicht zulässig sind; das heißt sogenannte Persönlichkeitsrechtsverletzungen, wie etwa gravierende Herabwürdigungen, Beschimpfungen mit Fäkalbegriffen oder Angriffe auf die Menschenwürde. Diese Fälle müssten laut geltendem Recht schnell und effektiv gelöscht werden, sobald sie der Plattform gemeldet wurden. Wie die Studie darlegt, werden die Meldemöglichkeiten allerdings häufig nicht genutzt.
Im Juni und Juli 2024 befragte das Marktforschungsinstitut Ipsos im Auftrag des bidt 5.000 in Deutschland lebende Personen ab 18 Jahren mit Internetzugang, die mindestens einmal pro Woche Social Media (Instagram, Facebook, TikTok, Snapchat, X oder/und LinkedIn) nutzen.
Mehr Beleidigungen in der analogen Welt als im Netz
Die Ergebnisse zeigen, dass Betroffene Beleidigungen nach wie vor häufiger in der Offline- als in der Onlinewelt erfahren: Während rund 20 Prozent der Befragten angeben, in den letzten sechs Monaten selbst online beleidigt worden zu sein, erlebten über 35 Prozent dies außerhalb des Netzes.
Besonders betroffen sind Personen, die in der Öffentlichkeit stehen. Auch in dieser Gruppe unterscheiden sich Online- und Offlinewelt deutlich: Unter den befragten Politikerinnen und Politikern sehen sich über 80 Prozent Beleidigungen im Netz ausgesetzt, in der Offlinewelt 84 Prozent. Noch markanter ist der Unterschied bei Influencerinnen und Influencern: Knapp 50 Prozent erfahren Beleidigungen im Netz, fast 70 Prozent offline. Von den Befragten, die als Privatpersonen auf Social Media auftreten, berichtet eine verhältnismäßig geringe Gruppe von 14 Prozent von Beleidigungen in der digitalen Umgebung, während es in der analogen Welt 43 Prozent sind.
Nur jede zweite betroffene Person meldet Beleidigungen auf Social Media
Doch auch im Netz sind Beleidigungen an der Tagesordnung: Knapp 60 Prozent der Userinnen und User geben an, dass sie in den letzten sechs Monaten gesehen haben, dass jemand anderes auf Social Media beleidigt wurde. Allerdings wird ein Großteil der Beleidigungen auf Social Media nicht gemeldet: Von den direkt Betroffenen meldeten knapp 46 Prozent die Beiträge weder bei einer staatlichen noch bei einer privaten Stelle (z. B. unmittelbar auf der Plattform).
Aussichtslosigkeit und Rechtsunsicherheit wesentliche Gründe
Fehlende Kenntnis über Meldewege, mangelndes Interesse und das Gefühl von Aussichtslosigkeit sind zentrale Gründe, warum Betroffene von einer Meldung absehen. Insgesamt zweifelt mehr als jede zweite Person daran, dass ihr weitergeholfen wird; sowohl auf Plattformen (57 Prozent) als auch bei staatlichen Stellen (62 Prozent).
Ein weiterer Grund für die Nichtmeldung ist bei über einem Drittel der Nutzerinnen und Nutzer die Rechtsunsicherheit. Auch der Wissensstand zu Plattformregulierung ist relativ gering. Nicht einmal ein Viertel der Befragten (24 Prozent) hat etwas vom europäischen Digital Services Act (DSA) gehört, der unter anderem Meldewege für rechtswidrige Inhalte auf Plattformen europaweit vorsieht.
Geringes Vertrauen in staatliche Einrichtungen vorhanden
Auch könnte fehlendes Vertrauen in staatliche Institutionen generell eine Rolle spielen. Nur der Polizei wird von mehr als der Hälfte der Befragten (54 Prozent) großes bis sehr großes Vertrauen entgegengebracht. Das Vertrauen etwa in den Bundestag liegt lediglich bei 30 Prozent. Weniger als die Hälfte vertraut der Staatsanwaltschaft (48 Prozent) und den nationalen Gerichten (46 Prozent).
Um das Vertrauen in die Rechtsdurchsetzung voranzubringen, müsste dieses Vertrauen in staatliche Institutionen gestärkt werden. Auch sollten einfache, transparente Meldewege bekannter gemacht, Allgemeinwissen darüber vermittelt und die Mittel der Rechtsverfolgung verbessert werden, so das Fazit der Studie.
Zum Hintergrund:
Autorinnen und Autor:
Steliyana Doseva
Fay Carathanassis
Prof. Dr. Hannah Schmid-Petri
Prof. Dr. Dirk Heckmann
Pressekontakt bidt:
Leonie Liebich
Referentin für Redaktion und Presse
presse@bidt.digital
Über das bidt:
Das Bayerische Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt) ist ein Institut der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Es trägt dazu bei, die Entwicklungen und Herausforderungen des digitalen Wandels besser zu verstehen. Damit liefert es die Grundlagen, um die digitale Zukunft im Dialog mit der Gesellschaft verantwortungsvoll und gemeinwohlorientiert zu gestalten. Das bidt fördert herausragende interdisziplinäre Forschung und liefert als Think Tank Entscheidungstragenden in Politik und Wirtschaft evidenzbasierte Empfehlungen. Forschung findet am Institut im offenen Dialog zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft statt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Steliyana Doseva
Wissenschaftliche Referentin Forschung
steliyana.doseva@bidt.digital
Originalpublikation:
Weitere Informationen:
Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt)
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